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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross
Autoren: Ditto Beth
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Songs, die ich singe.
    Aber manchmal ist es schwierig, von anderen ernst genommen zu werden – und manchmal fällt es mir selbst schwer, mich ernst zu nehmen. Ich bin eine durchgeknallte Person, und wenn dick und durchgeknallt zusammenkommen, kann das eigentlich nur schiefgehen. Viele Leute behandeln Dicke wie einen Witz auf Beinen. Mein Ansatz war dabei immer, dass ich die Ansichten der Menschen auf den Kopf stellen wollte. Eigentlich sollte ich mich nicht mehr wundern, wenn ich eine Besprechung oder einen Artikel über Gossip lese und dieser hauptsächlich von meinem Körper handelt. Aber ich staune trotzdem jedes Mal. Wenn ich früher mit Kathy zusammen die Bühne betrat, glaubten immer alle, Kathy müsse die Sängerin sein, weil sie sehr hübsch ist. Wer aussieht wie ich, wird nicht Sängerin, nicht mal in Riot-Grrrl-Kreisen. Auch dort sind die meisten Sängerinnen im klassischen Sinne hübsch.
    Aufgrund meines Körpers betrachte ich Kunst und Schönheit aus einem anderen Blickwinkel. Ich habe nie Marilyn Monroe angehimmelt, sondern Miss Piggy, Divine, Mama Cass und Leigh Bowery. Mir ging es immer darum, Substanz, Erscheinungsbild und das eigene Leben in einer radikalen Form zusammenzubringen, und es ist genauso wichtig für mich, meinen Vorbildern treu zu bleiben, wie eine Platte aufzunehmen. Ich wollte immer nur Sängerin werden. Einmal wurden wir von einem Booker auf denkbar unhöflichste Weise aus seiner Agentur geschmissen. Er sagte nicht mal Bescheid, sondern buchte uns einfach nicht mehr. Ich telefonierte mit ihm und sagte: »Das ist doch nicht Punk, so behandelt man niemanden!« Punk war für mich immer eine Moralphilosophie, mehr noch als ein Musikstil oder eine Moderichtung. Zu den Songs und den Klamotten gehörte für mich auch immer, dass man bestimmte Verhaltensweisen ablehnt, die in der Welt des Mainstreams an der Tagesordnung sind. Punk war auch eine Absage an den Kapitalismus, der wenige Menschen auf dem Rücken so vieler machtloser Arbeiter immer reicher werden lässt. Schönheitsideale, die viele Menschen dazu bringen, sich selbst zu hassen, nur weil sie diesen Anforderungen nicht gerecht werden, wurden kritisch hinterfragt. Punk bedeutete, dass man sich gegen Rassismus und Homophobie wehrte. Im Prinzip ging es also einfach um eine grundlegende Freundlichkeit, vielleicht sogar um Liebe. Darum, dass man andere Menschen nicht unnötig verletzt, keinen Profit aus ihrer Arbeit schlägt, der eigentlich ihnen zusteht, sie nicht dazu bringt, den eigenen Körper zu hassen – und dass man Menschen, die anders sind als man selbst, nicht feindselig begegnet. Punks bekämpfen nur diejenigen, die uns klein und machtlos sehen wollen. Dem feministischen Leitspruch entsprechend, der besagt, dass das Private politisch sei, war ich der Überzeugung, dass Freundlichkeit im Privaten ebenso politisch sein musste. Menschen anständig zu behandeln, das war Punk. Der Vorfall mit dem Booker, so nebensächlich er auch erscheinen mag, holte mich unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. Nicht jeder in diesem Geschäft ist Punk oder hat sich eine Punk-Ethik zu eigen gemacht.

FÜNFUNDZWANZIG
    25
    WENN UNS DIE ZEHN TAGE, die wir hatten, um Standing in the Way of Control aufzunehmen, schon luxuriös vorkamen, so überstieg die Aussicht, bei unserer nächsten Platte mit Rick Rubin zu arbeiten, unser Vorstellungsvermögen komplett. Rick kümmert sich kein bisschen um Budgets. Er pflegt eine sehr entspannte und stressfreie Einstellung in Sachen Studioarbeit, und er ließ uns genug Zeit und Freiraum für Experimente. Wir standen nicht unter dem Druck, in wenigen Tagen fertig werden zu müssen, sondern konnten vieles ausprobieren, was sonst gar nicht möglich gewesen wäre. Für das neue Album hatten wir bei Sony unterschrieben. Man begegnet oft der Vorstellung, der Vertrag mit einem Majorlabel bedeute, die kreative Kontrolle aufzugeben, aber unsere Aufnahmesession mit Rick erwies sich als das genaue Gegenteil davon: Er schuf eine Atmosphäre, in der wir uns geborgen und unterstützt fühlten. Im Mittelpunkt stand der künstlerische Prozess und nicht die Fertigstellung eines Produkts in möglichst kurzer Zeit.
    Die Aufnahmen machten wir im Shangri-La-Studio in Malibu. Das Shangri La ist ein eigentümliches kleines Anwesen, bestehend aus einem langen Hofgebäude mit einem Tonstudio auf der einen Seite und dem Haus
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