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Heavy Cross

Heavy Cross

Titel: Heavy Cross
Autoren: Ditto Beth
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am ganzen Körper geschminkt und bekam überall riesige Kussmünder aufgemalt. Das war nicht unbedingt mein Ding, aber je mehr Fotosessions man macht, desto mehr sieht man ein, dass die Fotografen ebenfalls Künstler sind, denen man vertrauen muss. Also sagte ich: »Okay, los!« Ich vertraute ihnen.
    Das Foto wurde so häufig nachgedruckt, dass ich es einige Male auch bei mir zu Hause, weit weg von Großbritannien, bewundern durfte. Zum Schluss bekam ich sehr viel mehr Kritik wegen meiner Achselbehaarung als wegen meines Gewichts! Ich suche nicht nach Kritiken, aber manchmal stolpert man eben einfach darüber. Irgendwo stand: »Schlimm genug, dass sie nackt ist, aber kann sie sich nicht wenigstens unter den Achseln rasieren?« Wirklich überrascht war ich davon nicht. In einer Gesellschaft, in der Leute meinen, sie müssten im Internet zu jedem Promi-Foto ihren Senf geben, kaum dass sie es auf irgendeiner Klatsch-Website gesehen haben, fällt eine tiefer gehende Analyse der popkulturellen Imagebildung ziemlich hinten runter. Alles in allem waren die Reaktionen unglaublich positiv, und eigentlich kann ich darauf stolz sein. Das Foto wurde außerdem für das Titelbild des Jahres nominiert! Auf jeden Fall besitzt es Schockwirkung. Man kann es nicht ignorieren.
    James Jam, der mich im Auftrag des NME interviewte und den ich sehr schätze, meinte zu mir: »Na ja, weißt du, du bist ein Star.« Und ich erwiderte: »So fühle ich mich aber nicht.« Denn es gibt etwas, das mich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt, und das sind die Vereinigten Staaten. Wenn ich nach Hause komme, ist dort alles ganz normal. Meine Nachbarin geht nachts im Altenheim arbeiten und verdingt sich tagsüber als Tagesmutter. So verdient sie ihr Geld. Meine Nachbarn gegenüber auf der anderen Straßenseite beziehen Behindertenrente. Es ist immer regnerisch. Mein Leben hat sich mit dem Ruhm nicht gewandelt. Nur in Großbritannien hat sich einiges für mich verändert, aber zwischen mir und der Insel liegt meistens ein Ozean. Doch James Jam ließ nicht locker: »Doch. Du bist ein Star.« Und ich dachte: »Vielleicht sollte ich die ganze Sache doch ernst nehmen und ein bisschen vorsichtiger werden.«
    Wenn man den Tatsachen ins Auge sieht, dann sind es nicht ausschließlich künstlerische Aspekte, die dafür verantwortlich sind, dass Gossip von den US-Medien total ignoriert werden. Dahinter steckt Sexismus gegenüber Frauen, die den Mund aufmachen. Sie werden entweder ignoriert oder lächerlich gemacht. Als ich auf Platz eins der Liste der weltweit coolsten Personen im NME gewählt wurde, war das den Zeitungen in Portland keine Notiz wert. Ich wusste nichts davon, bis mich ein Journalist anrief und meinte: »Du bist die Nummer eins!« Und von da an ging es eigentlich erst richtig los. Immer wenn wir darum gebeten wurden, irgendetwas zu machen oder an etwas teilzunehmen, waren wir erstaunt und dankbar. Daran hat sich nichts geändert. Ich fühle mich immer noch unwohl, wenn ich als »Star« bezeichnet werde, aber irgendwann musste ich es akzeptieren. Einmal wollte ich irgendwo in London auf der Straße eine Zigarette rauchen und wurde plötzlich von Leuten mit Kameras umringt, die Bilder von mir machen wollten. Das ist so eigenartig. Ich denke immer: »Warum macht ihr keine Bilder von Leuten, die wirklich wichtig sind!« Durch James Jam vom NME wurde mir bewusst, was ich zuvor verdrängen wollte: dass ich inzwischen echten Promi-Status besitze. Er fragte mich: »Wenn die Leute unbedingt Bilder von dir und Kate Moss machen wollen, meinst du nicht, dass du dann ein Star bist?« Wenn ich über rote Teppiche laufe, dann muss ich auch akzeptieren, dass ich berühmt bin, auch wenn mir nicht ganz wohl dabei ist. Wenn alles vorbei ist, fahre ich zurück nach Portland, wo mich die Medien total ignorieren! Das lässt einen immer wieder demütig werden.
    Eine weitere Kehrseite des Erfolgs von Gossip ist, dass alles Mögliche über mich geschrieben wird. Es geht nicht mehr um die Musik, sondern darum, dass ich ȟbergewichtig« bin und enge Sachen trage. Andererseits habe ich ja auch nie behauptet, dass es mir nur um die Musik geht. Und ehrlich gesagt finde ich die Tatsache, dass ich Übergewicht habe und enge Sachen anziehe, fast genauso wichtig. Mir selbst treu zu bleiben halte ich für mindestens so radikal wie die
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