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Heaven - Stadt der Feen

Heaven - Stadt der Feen

Titel: Heaven - Stadt der Feen
Autoren: Christoph Marzi
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lebe?«
    David betrachtete sie. Sie trug eine dunkelgrüne Jacke mit Reißverschluss, der offen stand, darunter ein orangefarbenes Shirt.
    »Ich bin David.« Er fand, dass es an der Zeit war, sich vorzustellen. Irgendwie Ordnung in die Geschichte zu bringen.
    »Heaven«, sagte sie.
    Er sah sie an.
    »Keine Witze wegen meines Namens«, bat sie.
    David zuckte die Schultern. »Wäre mir nicht in den Sinn gekommen.«
    Eine Weile standen die beiden schweigsam da. David hattedas Gefühl, als würden Stunden um Stunden vergehen, aber vermutlich war es kaum mehr als ein Wimpernschlag, der schmetterflügelzart vorüberflog. Der kalte Nieselregen setzte erneut ein und der sanfte Nebel, den er heraufbeschwor, wurde zu einem Vorhang aus unsichtbarer Seide.
    David überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Irgendetwas war mit ihr passiert und er hatte keine Ahnung, was es war. Wer wusste schon, was für Zeug sie genommen hatte? Oder diese Männer, von denen sie sprach, waren tatsächlich hier oben gewesen. Was, wenn sie sie vergewaltigt hatten und sie in ihrem Schock nun wirres Zeug redete?
    »Ich sollte dich in ein Krankenhaus bringen.« Etwas Besseres fiel ihm nicht ein.
    Sie nickte. »Würdest du das tun?«
    »Das nächste ist das St. Mary Abbot’s Hospital.« Er zeigte über die langen Dächer südwärts. »Es ist gleich dort drüben.«
    Sie gestattete sich ein kurzes Lächeln. »Hat man Jimi Hendrix nicht auch dorthin gebracht?«
    David zuckte die Achseln. »Das hat, glaube ich, nichts zu bedeuten.«
    Mit einem Mal wurde sie wieder unruhig. »Können wir jetzt gehen?«, drängte sie. Ihr Blick flog über die Dächer der umliegenden Häuser wie ein Schwarm aufgeschreckter Vögel.
    »Was ist mit den Männern?«, fragte er. »Hast du eine Ahnung, was sie von dir wollten?«
    »Sieht so aus, als hätten sie es nur auf mein Herz abgesehen.«
    David hielt inne, seufzte. Überdachte seine Worte. »Hörzu«, sagte er und betonte ihren Namen besonders deutlich: »Heaven.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, auf was für einem Trip du genau bist, aber das hier ist nicht die Wirklichkeit. Keiner kann ohne Herz leben. Was immer dir diese Männer angetan haben, du stehst hier vor mir und redest. Du atmest. Du bist lebendig.«
    Sie sah ihn an und sagte nur: »Ich weiß.«
    Und es war der Ton in ihrer Stimme, der jeden Widerspruch im Keim erstickte.
    »David?«
    Merkwürdigerweise fiel ihm auf, dass sie ihn das erste Mal beim Namen nannte.
    »Ja?«
    Sie sah ihm fest in die Augen. »Ich bin nicht verrückt.«
    Er erwiderte ihren Blick, sagte aber besser nichts.
    Doch schließlich: »Wo wohnst du?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich kann dich nach Hause bringen.« Er war sich auf einmal nicht sicher, ob das Krankenhaus der richtige Weg war. Er stellte sich vor, wie sie die Notaufnahme betreten würden. Er würde einem Arzt sagen, dass seine Begleiterin, die auf den klingenden Namen Heaven hörte, kein Herz mehr hatte.
    Klar doch!
    Okay, er würde dem Arzt sagen, dass sie nur
glaubte
, kein Herz mehr zu haben. Was aufs Gleiche herauskam. Keine Frage, wie man sie behandeln würde. Wenn sie Glück hatte, würde man sie nicht ernst nehmen. Wenn sie Pech hatte, würden sie den psychologischen Dienst rufen.
    In jedem Fall würde es die Art von Ärger geben, auf den erverzichten musste. Außerdem wartete Mr Merryweather auf seinen Walter Scott.
    »Marylebone«, sagte sie. »Ich wohne auf einem Boot. In Little Venice.«
    »Allein?«
    »Ich bin alt genug.« Jetzt klang sie schnippisch.
    »So habe ich das nicht gemeint.«
    »Klang aber so.«
    »Hey, ich wollte dir nur meine Hilfe anbieten«, sagte David. »Ich treffe nicht alle Tage jemanden hier oben.«
    Wieder kehrte Stille ein.
    Dann ergriff David die Initiative. »Okay, Heaven«, sagte er. »Ich bring dich nach Marylebone. Zu deinem Boot. Aber dann musst du allein klarkommen. Ich habe noch zu tun.«
    Sie nickte und lächelte.
    Und David Pettyfer, der nicht genau wusste, warum er das alles tat, ging voran, während Heaven ihm folgte.
    So begann es jedenfalls, in finsterer Nacht.

2. Kapitel

Die bösen Männer
    D as Treppenhaus von Nr. 16 war alt und tief und die gusseisernen Geländer liefen spiralförmig abwärts wie die Rippenbögen eines längst vergessenen großen Tieres.
    David ging voraus. Sein Entschluss stand fest. Er würde das Mädchen bis hinüber nach Marylebone und zu ihrem Hausboot bringen und dann könnte er guten Gewissens nach Hause gehen und die Sache vergessen. Sie wäre in
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