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Headhunter

Headhunter

Titel: Headhunter
Autoren: Jo Nesbo
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schien sie aber
nicht sonderlich interessant zu finden. Er meinte, er würde sich wieder
melden, sollte er etwas finden.«
    »Das
war dir sicher ganz recht, oder?«
    Ferdinand
lachte sein quietschendes Lachen.
    »Wie
auch immer«, sagte ich. »Kümmer du dich darum, Ferdy. Ich vertraue dir.«
    Ich
sah sein Gesicht aufleuchten und wieder verlöschen - erst ließ ihn die
Verantwortung wachsen, während er bei seinem Spitznamen wieder klein wurde.
Balance ist alles.
    Dann
hatten wir das Ende des Korridors erreicht. Vor der Tür blieb ich stehen und
überprüfte meinen Schlipsknoten. Drinnen saßen sie, bereit für das letzte
Gespräch. Eigentlich war es überflüssig. Der Kandidat war bereits ausgewählt
und längst eingestellt, nur dass der Kunde es nicht wusste und wohl noch immer
glaubte, selbst etwas zu sagen zu haben.
    »In
exakt zwei Minuten ab jetzt schickst du mir den Kandidaten herein«, sagte ich.
»In einhundertzwanzig Sekunden.«
    Ferdinand nickte und sah
auf seine Armbanduhr. »Nur noch eine Kleinigkeit«, sagte er. »Sie heißt Ida.«
Ich öffnete die Tür und trat ein.
    Stuhlbeine kratzten über
den Boden, als sie aufstanden.
    »Entschuldigen
Sie die Verspätung, meine Herren«, sagte ich und drückte die drei Hände, die
mir entgegengestreckt wurden. »Da stand jemand auf meinem Parkplatz.«
    »Ist
das nicht immer fürchterlich ärgerlich?«, sagte der Vorstandsvorsitzende von
Pathfinder und wandte sich seinem Pressesprecher zu, der zustimmend nickte.
Auch der Betriebsratsvorsitzende war anwesend, er trug einen roten Pullover
mit V-Ausschnitt über einem billigen weißen Hemd. Ohne Zweifel ein Ingenieur
der traurigsten Sorte.
    »Der
Kandidat hat um zwölf eine Vorstandssitzung, wir sollten also vielleicht
anfangen?«, sagte ich und setzte mich ans Ende des Tisches. Das andere Ende war
bereits für den Mann vorbereitet, der in neunzig Minuten ihr Wunschkandidat
für den Chefsessel bei Pathfinder sein würde. Das Licht war so eingestellt,
dass er den bestmöglichen Eindruck machen würde. Sein Stuhl sah genauso aus
wie unsere, hatte aber etwas längere Beine, und ich hatte die Ledermappe mit
seinen Initialen und den goldenen Montblanc-Füller bereitgelegt, die ich ihm
gekauft hatte.
    »Natürlich«,
sagte der Vorstandsvorsitzende. »Ich habe allerdings noch einen kleinen
Einwand. Wie Sie wissen, mochten wir Clas Greve nach unserem Gespräch ja sehr.«
    »Ja«,
ergänzte der Pressesprecher. »Wir waren überzeugt, dass Sie da wirklich den
perfekten Kandidaten gefunden hatten.«
    »Er
war zwar Ausländer«, sagte der Vorsitzende, während sein Nacken sich
schlangenartig bewegte, »aber der Mann sprach ja Norwegisch wie ein
Einheimischer. Und als Sie ihn nach draußen begleiteten, sind wir intern zu dem
Schluss gekommen, dass sich die Holländer mit den internationalen Märkten
immer etwas besser ausgekannt haben als wir hier.«
    »Und
dass wir von jemandem mit einem etwas internationaleren Führungsstil
vielleicht noch etwas lernen könnten«, ergänzte der Informationschef.
    »Wir
waren deshalb sehr überrascht, als Sie zurückkamen und uns sagten, dass Sie
sich nicht mehr so sicher seien, ob er wirklich der richtige Mann für uns ist,
Roger.«
    »Wirklich?«
    »Ja,
wir glaubten tatsächlich, dass Ihnen die richtige Einschätzung fehlt. Ich habe
Ihnen das noch nicht gesagt, aber wir zogen damals in Erwägung, Ihnen den
Auftrag zu entziehen und Clas Greve direkt zu kontaktieren.«
    »Haben
Sie das?«, sagte ich mit schiefem Lächeln.
    »Wir
fragen uns natürlich«, sagte der Informationschef, tauschte einen Blick mit dem
Vorstandsvorsitzenden und lächelte, »wie Sie merken konnten, dass da etwas
nicht stimmte?«
    »Wie
konnten Sie instinktiv erkennen, wofür wir blind waren?«, fragte der
Vorsitzende und räusperte sich kräftig. »Wie kann jemand eine solche
Menschenkenntnis haben?«
    Ich
nickte langsam. Schob meine Papiere fünf Zentimeter von mir weg und lehnte mich
an die hohe Lehne meines Stuhls. Er kippte - nicht viel, nur ein bisschen -
nach hinten. Ich sah aus dem Fenster. Ins Licht. In die Dunkelheit, die kommen
würde. Hundert Sekunden. Es war jetzt vollkommen still im Raum.
    »Das
ist ganz einfach mein Job«, sagte ich.
    Aus
den Augenwinkeln sah ich, wie sich die drei vielsagend zunickten. Dann fügte ich
hinzu: »Außerdem war mir damals bereits ein Kandidat in den Sinn gekommen, der
vielleicht noch besser passt.«
    Die
drei wandten sich mir zu. Und ich war bereit. Ich glaube, so fühlt man sich
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