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Hawkings Kosmos einfach erklaert

Hawkings Kosmos einfach erklaert

Titel: Hawkings Kosmos einfach erklaert
Autoren: Rüdiger Vaas
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überein.“
    Inzwischen hat Hawking diesen Gedanken weiter entwickelt und seine erkenntnistheoretische Position präzisiert. Er nennt sie „modell-abhängiger Realismus“ und definiert diesen als „die Vorstellung, dass eine physikalische Theorie oder ein Weltbild ein (meist mathematisches) Modell ist und einen Satz Regeln besitzt, die die Elemente des Modells mit den Beobachtungen verbinden. Das liefert uns ein Gerüst zur Interpretation der modernen Wissenschaft.“
    Modelle sind nicht auf die Physik beschränkt. „Modellabhängiger Realismus gilt nicht nur für wissenschaftliche Modelle, sondern auch für die bewussten und unbewussten mentalen Modelle, die wir alle schaffen, um unsere alltägliche Welt zu deuten und zu verstehen“, schreiben Hawking und Mlodinow. „Unsere Wahrnehmung – und damit die Beobachtungen, auf die sich unsere Theorien stützen – ist nicht unmittelbar, sondern wird durch eine Art Linse geprägt, die Deutungsstrukturen unseres Gehirns.“ Wir interpretieren also Sinnesreize und fertigen Modelle der Welt an, mit denen sich Ereignisse erklären und voraussagen lassen. Allerdings kann man eine Situation sehr verschieden modellieren. Das hängt auch von den Annahmen und der jeweiligen Perspektive ab.
    Hawking und Mlodinow verdeutlichen dies am Beispiel von Kugelaquarien. Die Fische darin haben ein verzerrtes Bild ihrer Umgebung (was kurioserweise ein Grund war, warum der Stadtrat von Monza im Norden Italiens eine solche Tierhaltung verboten hatte). „Doch woher wissen wir, dass wir das wahre, unverzerrte Bild der Wirklichkeit sehen?“, fragen Hawking und Mlodinow rhetorisch. Tatsächlich ist die Perspektive der Goldfische ja nicht weniger real. Und aus ihr könnten sich ebenfalls Naturgesetze formulieren lassen, die beschreiben, wie sich Objekte außerhalb ihres Aquariums verhalten. Sogar Voraussagen über deren Bewegung auf gekrümmten Bahnen wären möglich. „Ihre Gesetze wären komplizierter als die Gesetze in unserem Bezugssystem, aber Einfachheit ist eine Frage des Geschmacks. Würden die Goldfische eine solche Theorie formulieren, so müssten wir ihre Auffassung als ebenso gültiges Bild der Wirklichkeit anerkennen.“
    Die Wissenschaftsgeschichte ist reich an Konflikten zwischen sich gegenseitig ausschließenden Modellen. Ptolemäus zum Beispiel beschrieb das Sonnensystem mit der Erde im Zentrum, Nikolaus Kopernikus verstand dagegen alle Planetenbahnen als Kreise um die Sonne, Johannes Kepler ersetzte die Kreise durch Ellipsen, und Isaac Newton machte die Schwerkraft dafür verantwortlich, die Albert Einstein dann nicht als Kraft, sondern als Krümmung der Raumzeit auffasste.
    Man kann sich aber auch ganz andere Szenarien vorstellen ...
› Ist alles nur eine Illusion?
    Vielleicht ist das ganze Universum nur eine Art von Computersimulation, in der wir leben, wie es der Film Matrix suggerierte, der 1999 für Furore sorgte und skeptische Szenarien vieler Philosophen aufgriff. Hawkings – durchaus strittiger – Punkt dabei: Modelle sind mehr oder weniger praktikabel, nicht aber realer als andere. Mehr noch: „Es gibt keinen abbild- oder theorieunabhängigen Realitätsbegriff.“ Das erinnert an eine Aussage von Albert Einstein zu Werner Heisenberg: „Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.“ Allerdings verstand sich Einstein als harter Realist.
    Dagegen meint Hawking: „Strenge Realisten vertreten häufig die Auffassung, der Beweis dafür, dass wissenschaftliche Theorien die Wirklichkeit darstellten, liege in ihrem Erfolg. Doch verschiedene Theorien können dasselbe Phänomen mittels grundverschiedener begrifflicher Bezugssysteme beschreiben. Tatsächlich wurden viele wissenschaftliche Theorien, die sich als erfolgreich erwiesen hatten, später durch ebenso erfolgreiche, auf ganz anderen Konzepten und Grundbegriffen beruhende Theorien ersetzt.“ Theorien stellen also lediglich nützliche Instrumente dar, die „nicht Ausdruck tieferer, den beobachteten Phänomenen zugrundeliegender Wahrheiten sind“. Allerdings schlägt sich Hawking auch nicht auf die Seite der Antirealisten, die allenfalls das Bewusstsein für wirklich halten oder – wie einst der Physiker Ernst Mach – Atome als Fiktionen ansehen, genau wie deren Bausteine, die Quarks.
    â€žModellabhängiger Realismus
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