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Hawkings Kosmos einfach erklaert

Hawkings Kosmos einfach erklaert

Titel: Hawkings Kosmos einfach erklaert
Autoren: Rüdiger Vaas
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freilich nicht auf einen „Designer“ reduzierbar, der die Naturgesetze erlässt, die physikalischen Konstanten einstellt oder den Urknall zündet. Auch Theologen weigern sich, Gott auf die Rolle eines „Ersten Bewegers“ zu reduzieren, mithin bloß als physikalische Anfangsbedingung zu interpretieren. Gott gilt den Gläubigen nicht nur als Erschaffer der Welt, sondern er erhält sie auch und vernichtet sie wieder, diktiert Wertordnungen, erhört Gebete und greift in den Weltlauf ein. Wie das physikalisch vonstatten gehen soll, bleibt allerdings ein Rätsel (oder Wunder). Aber mit diversen metaphysischen Annahmen oder Behauptungen lässt sich so etwas immer irgendwie begründen oder auf die unergründlichen Ratschlüsse Gottes abwälzen. Insofern kann die Physik Gott sicherlich nicht aus dem Universum vertreiben. Auch nicht mit Hawkings Modell.
    â€žDie Frage, ob Gott das Universum erschaffen hat, steht in keiner direkten Beziehung zu der Frage, ob das Universum einen Rand hat, auch wenn das viele Menschen glauben. In Wirklichkeit hat das eine wenig mit dem anderen zu tun“, widerspricht beispielsweise Hawkings früherer Mitarbeiter Don Page, ein gläubiger Christ, seinem ehemaligen Dissertationsgutachter. Auch George Ellis, Co-Autor von Hawkings erstem Buch, ist religiös, ein Quäker, aber er hält sich mit kosmisch-theologischen Spekulationen zurück. Und wie Page betrachten viele Theologen Gott sowieso nicht bloß als Schöpfer, sondern auch als Erhalter der Welt. In diesem Sinn hätte er nicht nur den Urknall gezündet oder aus dem Nichts geschaffen („creatio ex nihilo“) oder aus dem Quantenvakuum, sondern er würde gleichsam die Welt ständig neu schaffen („creatio continua“) beziehungsweise in ihrer Existenz bewahren. Etwa so, als hielte er sie in einer imaginären Hand, weil sie sonst ins Nichts fiele. Dieser Welterhalt könnte zum Beispiel dadurch erfolgen, dass Gott für die Gültigkeit der Naturgesetze sorgt oder dass die materielle Realität in Wirklichkeit nur sein Gedanke (oder Traum?) ist.
    Ein solcher Glaube – oder frommer Wunsch – kann physikalisch nicht widerlegt, aber sehr wohl philosophisch kritisiert werden. Und eigentlich tut Hawking genau das, indem er argumentiert, dass Gott in der modernen Kosmologie nicht mehr denknotwendig ist.
    Das sahen viele Physiker, darunter Isaac Newton, früher durchaus anders. Und noch immer interpretieren manche Kosmologen und theologisch orientierte Philosophen die Urknall-Singularität als eine Erklärungslücke, die gleichsam durch Gott gestopft werden muss. Ein solcher „Lückenbüßer-Gott“ hat zwar selbst bei den meisten Theologen längst abgedankt. Aber wer ihn als Schöpfer und Erhalter der Welt begreift, kann diese letztlich nicht radikal autonom denken. Und so predigte beispielsweise Josef Ratzinger alias Papst Benedikt XVI. Anfang 2011 im Petersdom: „Das Universum ist kein Ergebnis eines Zufalls“, auch hinter den wissenschaftlichen Theorien über den Urknall stecke der Plan Gottes; das Universum trage „die Handschrift Gottes“, die der Mensch dechiffrieren könne. Demzufolge wäre das Universum letztlich nur im Hinblick auf die Existenz einer transzendenten Wesenheit zu verstehen.
    Doch dagegen wendet sich Hawking. Das heißt nicht, dass er religionsfeindlich ist, auch wenn sein Atheismus mit ein Grund gewesen sein mag, dass seine Ehe mit der gläubigen Jane Hawking zerbrach. Im Gegenteil, Hawking hatte im Kalten Krieg in seinem Rollstuhl angeblich Bibeln nach Russland geschmuggelt, um dort Baptisten zu unterstützen. Und er half der jüdisch-orthodoxen L’Chaim-Gesellschaft, sich in Cambridge zu etablieren, auch wenn er den religiösen Lehren sehr reserviert gegenübersteht. „Es ist gut möglich, dass Gott auf eine Weise handelt, die nicht mit wissenschaftlichen Gesetzen beschrieben werden kann“, räumt er ein. „Aber in diesem Fall bleibt nur persönlicher Glauben übrig.“
    In einem kurzen Interview in der britischen Zeitung The Guardian wurde Hawking im Mai 2011 noch deutlicher. Hier wurde er wiederum nach religiösen Sinngebungen befragt, auch angesichts der Sterblichkeit: „Ich habe die letzten 49 Jahre mit der Erwartung eines baldigen Todes gelebt. Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber ich habe es nicht eilig zu sterben. Ich möchte noch
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