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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii
Autoren: James A. Michener
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»Wo ich dir von all den anständigen Mädchen aus Hiroschima erzählt habe! Wie kannst du nur mit einer Haole nach Hause fahren?«
    Harte Drohungen wurden laut, und Shigeos Mutter rief: »Es ist fast so schlimm, als wenn du eine Koreanerin heiraten würdest«, woraufhin Goro, der von all dem Lärm geweckt worden war, bemerkte: »Wer redet denn von heiraten?« Sakagawas Frau antwortete: »Es ist überall das gleiche. Haole-Mädchen, Koreanerinnen, Okinawanerinnen, Etas, alle versuchen, anständige japanische Jungen in die Falle zu
    locken.«
    Das war zuviel für Goro, und er riet: »Du gehst jetzt besser zu Bett, Mama.« Aber sie mußte nur daran denken, wie Goro sich sein Leben verdorben hatte, und begann abermals zu jammern: »Du wolltest nicht auf mich hören. Du hast dieses Mädchen aus Tokyo mitgebracht, und sieh, was geschehen ist. Laß es dir eine Warnung sein, Shigeo. Haole-Mädchen sind noch schlimmer als die aus Tokyo. Viel schlimmer.«
    Goro flehte: »Shig, sag' ihr, daß du das Mädchen nicht heiraten willst.«
    »Ich habe gesehen, wie er sie geküßt hat!« schrie seine Mutter. »Mama«, rief Goro. »Ich habe gestern abend ein Filipino-Mädchen geküßt und heirate sie auch nicht.«
    Sakagawas Frau verstummte. Sie ließ die Arme sinken, starrte ihren Sohn an und wiederholte tonlos: »Ein Filipino-Mädchen?« Der Gedanke erfüllte sie mit solchem Abscheu, daß sie nicht einmal mehr Worte fand, um ihm Vorwürfe zu machen. Sie drehte sich um und ging zu Bett. Gegen Chinesinnen, Okinawanerinnen, sogar Koreanerinnen konnte man sich wehren. Aber gegen eine Filipino!
    Als die Alten zu Bett gegangen waren, fragte Goro leise: »Es ist doch nichts Ernstes zwischen dir und der Haole, oder?«
    »Ich denke nicht«, erwiderte Shig.
    »Sieh, Blalah«, sagte Goro und verfiel in die alte, geliebte Anrede aus ihrer Pidgin-Jugend. »Sie ist eine Hale, eine Janders, eine Haole, eine geschiedene Frau - alles zusammen. Versuch' es nicht. Du bist stark, aber dafür doch nicht stark genug.«
    Der Wahltag des Jahres 1954 wird Hawaii unvergeßlich bleiben. Hula-Gruppen umtanzten die Wahllokale. Kandidaten mit riesigen Blumenkränzen teilten Sandwiches an die Haoles und Suschi an die Japaner aus. Kapellen plärrten den ganzen Tag lang, und Lastautos mit Spruchbändern drangen durch die Straßen. Es war ein lärmvoller, glänzender, wundervoller Tag, und als an diesem Abend die Stimmen gezählt wurden, erkannte Hawaii mit Überraschung und Schmerz, daß zum erstenmal seit der Angliederung der Inseln an Amerika die Demokraten in beiden Häusern herrschten. Die Tage waren vorüber, an denen die Republikaner unter Führung des Forts die Inseln ungestört regierten.
    Als dann gegen Mitternacht der Wahlkampf endgültig abgeschlossen wurde, kam es zu einer zweiten Entdeckung, die noch ernüchternder wirkte als die erste. Von den demokratischen Siegern waren die meisten junge Japaner. Im Senat gewannen die Japaner von fünfzehn Sitzen sieben. Im Parlament gewannen sie von dreißig Sitzen vierzehn. Im Magistrat Honolulus gewannen die Japaner von sieben vakant gewordenen Sitzen vier, und um Mitternacht faßte Hewie Janders, der mit John Whipple Hoxworth und den Hewlett-Söhnen zusammensaß, die unangenehmen Tatsachen zusammen: »Meine Herren, von nun an werden wir durch Tokyo regiert. Möge Gott uns gnädig sein.«
    Black Jim McLaffertys Mannschaft aus glänzenden, jungen japanischen Kriegsveteranen hatte sich an die Macht gekämpft. Ihr durchschnittliches Alter war einunddreißig. Die durchschnittliche Zahl schwerer Kriegsverletzungen war zwei. Jeder trug durchschnittlich vier Auszeichnungen. Sie kamen von Universitäten wie Harvard, Columbia, Michigan, Stanford, hatten alle mit Auszeichnung ihr Studium abgeschlossen und bildeten zusammen die bestausgebildete, am höchsten ausgezeichnete Gruppe von Gesetzesgebern, die an diesem Tag in den achtundvierzig amerikanischen Staaten gewählt worden war. Es gab bestimmt keine bessere gesetzgebende Versammlung als diejenige, die von den ernsten, jungen japanischen Rechtsanwälten in Hawaii gebildet werden sollte.
    An einer früheren Stelle dieser Memoiren habe ich vorausgesagt, daß der Zwischenfall im Jahre 1916, bei dem der betrunkene Luna von Schlemm den kranken Feldarbeiter
    Kamejiro Sakagawa ungerechtfertigt auspeitschte, eine historische Konsequenz haben würde, die erst nach vierzig Jahren deutlich werden sollte. An diesem Wahltag des Jahres 1954 kam der alte und fast schon vergessene
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