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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii
Autoren: James A. Michener
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Ich habe nie eine bessere Antwort gehört. Demagogie der besten
    Art, und du weißt natürlich, was Demagogie der besten Art ist? -Rednerbegabung.« Aber Shig duldete nicht, daß jemand in die Versammlungen gesetzt wurde, weil er fürchtete, daß die Überzeugungskraft seiner Worte dadurch geschmälert werden könnte, denn seine Antwort hatte einen unvorhergesehenen Erfolg: Bei mehr als der Hälfte der Fälle, in denen er sie anwandte, kam der Fragesteller später zu ihm und sprach über alte Kriegstage oder über die unglücklichen Plantagenerfahrungen seiner Familie, so daß Shigs Antwort tatsächlich Nörgler in Anhänger verwandelte. Und das war, wie McLafferty sagte, »das beste, was man von einer Antwort erwarten konnte«. Aber etwas in McLaffertys Bemerkung wirkte in Shigs Gedächtnis fort, das Wort Demagogie. - Mache ich mich der Demagogie schuldig? fragte er sich, und als er jeden Teil seiner wohlbekannten Antwort untersuchte, konnte er alles verantworten, nur nicht die Sache mit den Lunas. Hier stockte er. - Was geschah in Wirklichkeit? fragte er sich. - Mein Vater wurde ein einziges Mal von einem Luna geschlagen. Das erstemal, als Papa die Sache erzählte, sagte er die Wahrheit. »Hier ist die Stelle, wo mich damals der Luna getroffen hat.« Dann baute unsere Familie eine Legende auf: »Hier ist die Stelle, auf die uns die Lunas zu schlagen pflegten.« Und schließlich wurde daraus: »Hier ist die Stelle, auf die die Lunas die Japaner täglich schlugen.« Er sah ein, daß diese Verdrehung der Wahrheit Demagogie der schlimmsten Sorte war, weil sie den Klassenhaß schürte, der - wenn er auch nicht unbegründet sein mochte - doch besser im Gedächtnis begraben wurde. Aber die Ansprachen brachten Wähler ein, und eines Abends nach einer besonders hitzigen Wahlversammlung legte er Black Jim offen die Frage vor: »Diese Sache mit den Lunas, die die Japaner schlagen? Meinst du, ich sollte das in Zukunft auslassen?«
    Black Jim lenkte seinen alten Pontiac gerade den Kapiolani-Boulevard hinunter und sagte eine Weile nichts. Dann bemerkte
    er brummend: »Sie bringt uns Wähler ein.«
    »Ich meine: Was hältst du davon?« drängte Shig.
    »Nun, wenn ich merke, daß du an diesen Punkt kommst, gehe ich gewöhnlich hinaus«, gestand Black Jim. »Nur für den Fall, daß mir übel wird.« So ließ Shig in Zukunft diesen demagogischen Teil seiner Ansprachen fort. Als dann aber Goro die Wandgemälde in seinem neuen Gewerkschaftshauptquartier enthüllte, sah Shig, daß auf ihnen ein Plantagenlager dargestellt war mit Lunas, die mit geschwungenen Büffelpeitschen durch die Arbeiterreihen schritten. E mußte denken: Das ist eben der Fluch, der auf einer schlechten Tat liegt. Einer weiß immer davon - in schlimmer Weise.
    Als der Wahlkampf, der diesmal noch durch den Kommunistenprozeß verschärft wurde, seinen Höhepunkt erreichte, erhielt Shigeo in seinem Büro den Besuch einer Dame, von deren Existenz er noch nie etwas gehört hatte. Sie war sechsundzwanzig Jahre alt und von blasser Schönheit. Sie sagte nervös: »Mein Name ist Noelani Hale Janders. Ich bin geschieden, habe aber meinen Mädchennamen nicht wieder angenommen. Mir gefiel, was Sie neulich im Radio sagten, und ich möchte für Sie im Wahlkampf tätig sein.«
    »Wie war doch gleich der Name?« fragte Shig. »Mein richtiger Name ist Noelani Hale«, erklärte sie. »Welche Hales sind das?« fragte Shig. »Hoxworth Hale ist mein Vater.«
    »Setzen Sie sich bitte«, sagte Shig schwach. Als er sich wieder gefaßt hatte, fragte er: »Sind Sie sicher, daß Sie richtig verstanden haben, was ich sagte, Frau Hale?«
    »Ich heiße noch Frau Janders«, sagte Noelani. »Haben Sie nichts von meiner Scheidung gehört. Sie war ziemlich peinlich.«
    »Nein, ich habe nichts davon gehört«, entschuldigte sich Shig.
    »Ich verstand sehr gut, was Sie sagten, Senator Sakagawa, und Ihre Ansichten treffen sich mit meinen eigenen.« »Aber haben Sie auch gehört, was ich über Bodenreform sagte?« drängte er.
    »Darüber sprechen wir ja«, erwiderte Noelani in ihrem klaren Bostoner Akzent.
    »Sie würden Ihren Vater sehr verletzen, wenn Sie aktiv für mich in den Wahlkampf eingriffen«, warnte Shigeo. »Und wie die Dinge liegen, wahrscheinlich auch mir nur schaden.«
    »Ich habe in Wellesley Politik studiert«, sagte sie entschieden.
    »Waren Sie in Wellesley?« fragte er.
    »Ja. Während Sie in Harvard waren«, sagte sie. »Amy Fukugawa bemerkte Sie eines Tages in einem
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