Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Havanna für zwei

Havanna für zwei

Titel: Havanna für zwei
Autoren: M Jackson
Vom Netzwerk:
improvisierten Wäscheleinen baumelten. Hungrige Hunde rannten von Haus zu Haus, und an der staubbedeckten Autobahn spielten Kinder barfuß mit behelfsmäßigen Bällen und Stöcken. Emma war überrascht, wie glücklich sie trotz ihrer trostlosen Umgebung wirkten, und fragte sich, wie lange Finn es in diesem Umfeld ohne PlayStation und sein Fahrrad aushalten würde.
    Sie fuhren an ein paar Fabriken und an einem Gebäude vorbei, das vermutlich ein Krankenhaus war. Menschen in Uniform marschierten durch die Tore nach draußen und stiegen in Busse.
    Die Landschaft veränderte sich, doch es herrschte immer noch nur spärlicher Verkehr auf den notdürftig asphaltierten Straßen. Die Autobahnen waren eher breite Feldwege mit vereinzelten Schlaglöchern. Plötzlich überholte sie ein 1950er Chevrolet, der aussah wie mit Kugeln durchlöchert.
    »Sieh dir das an!«, rief Emma entgeistert aus.
    »Schickes Auto?« Der Fahrer lächelte sie im Rückspiegel an.
    Emma lachte.
    »Wie lange brauchen wir bis Varadero?«, fragte Sophie, die unruhig auf den klebrig-heißen Sitzen herumrutschte, die zunehmend unbequemer wurden.
    »Zwei Stunden, wenn wir Glück haben.«
    Sophie warf ihrer Schwester einen bestürzten Blick zu. »Wusstest du, dass es so weit ist?«
    Emma zuckte mit den Achseln. »Die Reisebeschreibung hab ich am Flughafen dir überlassen.«
    Sophie wühlte hektisch in ihrer Tasche und wurde schließlich fündig.
    »Drei Stunden! ›Der Transfer dauert fast drei Stunden‹!« Seufzend schob sie die Dokumente zurück in das schmale weiße Kuvert.
    »Dann müssen wir eben die Zähne zusammenbeißen«, meinte Emma.
    »Was bedeutet Hasta la victoria siempre ?«, lautete Sophies nächste Frage, als sie an einer riesigen Reklametafel am Straßenrand vorbeikamen, auf der ein Porträt von Che Guevara aufgemalt war.
    Emma sah in die Richtung, in die Sophie zeigte. » ›Hasta‹ – das bedeutet ›bis‹. ›Siempre‹ heißt ›immer‹, und ›la victoria‹ müsste ›der Sieg‹ sein.«
    Der Fahrer nickte zustimmend.
    Sophie gab sich damit zufrieden und vertiefte sich wieder in den Reiseführer.
    »Sie sind aus England?«, fragte der Fahrer.
    »Irland«, antwortete Emma.
    »Che hatte irische Vorfahren«, erklärte der Fahrer und lächelte Emma im Rückspiegel an. »Der Name seines Vaters war Ernesto Guevara Lynch. Che hat Irland nach der Revolution besucht.«
    Das Wissen des Fahrers beeindruckte Emma, und ihr fiel wieder auf, wie gut sein Englisch war.
    »Ich bin ein großer Fan von Tagebuch einer Motorradreise . Ich hab es als Teenager gelesen.«
    Auf dem Gesicht des Fahrers breitete sich ein Lächeln aus. »Das hab ich auch sehr gerne gelesen.«
    Emma lehnte sich zurück und ließ die rauchenden Fabriken und Ölraffinerien, die den Strand zu ihrer Linken säumten, an sich vorbeiziehen. Die Sonne ging langsam unter, und die Gegend veränderte sich. Sie genoss die friedliche Atmosphäre und bewunderte die sattgrüne Landschaft.
    Sie schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie sie sich fühlen würde, wenn statt Sophie jetzt Paul neben ihr säße. Es wäre mit Sicherheit anders. Er hätte ihr alles über das Abenteuer erzählt, das vor ihnen lag, da er sich schon im Vorfeld über alles informiert hätte, was es über die Insel zu erfahren gab. Er hätte sich um alles gekümmert, doch stattdessen musste sie jetzt auf Sophie aufpassen. Ihre kleine Schwester konnte auf Kommando die Hilflose spielen. Schon als Kind, wenn nach dem Abendessen Ordnung gemacht werden musste, sprang sie stets als Erste auf und bot sich an, den Tisch abzuräumen – bei weitem die einfachste Aufgabe –, sodass die schwierigeren Arbeiten wie der Abwasch an ihren Schwestern hängen blieben. Protestierten Emma und Louise, wurden sie zudem noch von ihrer Mutter ausgeschimpft, weil sie nicht als Erste ihre Hilfe angeboten hatten, und ermahnt, sich ein Beispiel an Sophie zu nehmen. Manchmal musste Sophie dann sogar gar nichts machen, aber Emma verzieh ihr jedes Mal, weil sie nicht gegen den Mutterinstinkt ankam, der nach der Geburt ihrer jüngsten Schwester bei ihr eingesetzt hatte. Als Louise zur Welt kam, war Emma sehr verletzt und eifersüchtig gewesen; die versprochene Spielgefährtin war eine Nervensäge und zog einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich, an die Emma als Einzelkind gewöhnt war. Doch als Sophie geboren wurde, freute Emma sich sehr. Sie war ein wunderbarer Ersatz für die Babypuppen, mit denen Emma inzwischen nicht mehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher