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Havanna für zwei

Havanna für zwei

Titel: Havanna für zwei
Autoren: M Jackson
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bestimmten System zu folgen, und von den beiden langen Gepäckförderbändern bewegte sich keines. Seine Flugnummer zu wissen half einem auch nicht weiter. Emma ging davon aus, dass ihr Koffer irgendwo herrenlos herumlag, da sie eine Stunde und fünfzehn Minuten gebraucht hatte, um durch die Passkontrolle zu kommen.
    »Ich brauch ’ne Dusche, und zwar schnell«, stöhnte Sophie, während sie durch die Tür gestolpert kam.
    Die Temperatur betrug an die dreißig Grad. Eine Klimaanlage gab es nicht, und als sie endlich ihr Gepäck gefunden hatten, mussten sie sich erneut in eine Schlange einreihen, die genauso schlimm war wie die bei der Passkontrolle, diesmal, um den Zoll zu passieren. Emma wurde nicht ganz schlau daraus, was mit den Taschen passierte. Sie wurden durch eine Art Sicherheitsapparat geschoben, während jeder Passagier sich einer akribischen Leibesvisitation unterziehen musste, bevor einer nach dem anderen in die Ankunftshalle entlassen wurde. Hin und wieder wurden scheinbar willkürlich Menschen aus der chaotischen Schlange geholt und mitsamt Gepäck in einen Nebenraum bugsiert. Später sollte Emma erfahren, dass die Flughafenpolizei sich gern bei bestimmten Sachen bediente, die sie in den Koffern ihrer kubanischen Landsleute fand. Das alles war ziemlich nervenaufreibend, und Emma war heilfroh, dass Sophie von den Schweißflecken unter ihren Achseln so abgelenkt war, dass sie nichts von den Mätzchen à la 12 Uhr nachts – Midnight Express mitbekam.
    Man hatte Emma versichert, dass der Reiseveranstalter den Transfer zum Hotel für sie organisieren und jemand im Ankunftsbereich auf sie warten würde. Doch schon ihr erster Eindruck von Kuba sagte ihr, dass hier alles anders lief als gewohnt, und das machte ihr Sorgen.
    Ihre Sorge war unbegründet, denn an einer Säule, in der Hand eine Pappe mit der fast unleserlichen Aufschrift Owens x 2 , lehnte ein Mann mit traumhaft südländischem Aussehen und lockigem, zerzaustem Haar. Er trug ein weißes kurzärmeliges Hemd und eine schwarze Sonnenbrille, war schlank und sportlich und sah überhaupt nicht so aus, als säße er den ganzen Tag am Steuer eines Wagens.
    »Das ist unser Fahrer.« Sophie stupste sie an. »Er sieht zum Anbeißen aus – ein bisschen wie Che Guevara!«
    Mit Gepäck beladen, kämpften die zwei sich mühsam zu ihm durch. Er überragte die Irinnen um Längen.
    »Havana Tours?« , fragte Emma mit einem eigentümlichen spanischen Akzent, weil sie hoffte, dass er sie so besser verstand.
    » Señoras Owens?«
    »Sí« , grinste Emma erleichtert und hoffte, dass ihr siebentägiger »Wir sprechen Spanisch« -Crashkurs, eine Gratisbeilage ihrer Tageszeitung, ausreichen würde, um diesen Urlaub zu bewältigen.
    Der Fahrer nahm ihnen die Koffer ab und deutete zum Parkplatz.
    »Sol Meliá Hotel?«, fragte er mit rauchiger Stimme. »Ich bin Ihr Fahrer.«
    » Sí . In Varadero«, antwortete Emma, während der Fahrer die Tür des Renault zuschlug und sie gewissermaßen einschloss: Die Griffe an der Innenseite der Autotür fehlten. Vielleicht waren sie abgebrochen und nicht ersetzt worden. Vor Antritt ihrer Reise hatte Emma gelesen, dass Kubaner keinen Zugang zu Auto-Ersatzteilen hatten und dass es keine Läden gab, in denen sich die Einheimischen mit den notwendigsten Toilettenartikeln eindecken konnten. Deshalb hatte sie den Rat der einschlägigen Internetseiten befolgt und ihren Koffer randvoll mit Seifenstücken, Shampoofläschchen und Tamponschachteln gepackt. Sie hatte auch gelesen, dass kubanische Frauen ganz verrückt nach Tampons waren, weil man sie auf der ganzen Insel nirgends bekam. Emma hatte für alle Fälle zwölf Schachteln dabei, wusste aber nicht so recht, ob sie sich trauen würde, sie irgendwem zu schenken.
    An der Straße drängten sich Scharen von Menschen, hauptsächlich Frauen.
    »Worauf die wohl warten?«, flüsterte Emma Sophie ins Ohr.
    »Sie warten auf den Bus«, informierte der Fahrer sie in perfektem Englisch.
    Emma liebte seinen Akzent. Mit seinem ausgeprägt südländischen Aussehen gäbe er eine gute Romanfigur ab, dachte sie und fühlte sich zum ersten Mal seit Monaten inspiriert.
    Sie waren jetzt zehn Minuten unterwegs und bisher nur an zwei riesigen Mietsblöcken, reihenweise grünen Bäumen und Drahtzäunen vorbeigefahren. Die Gebäude waren einst in leuchtenden Farben gestrichen gewesen, inzwischen aber völlig heruntergekommen, mit Wänden, von denen die Farbe abblätterte, und tropfnassen Kleidungsstücken, die von
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