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Haut

Haut

Titel: Haut
Autoren: Mo Hayder
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Telefon dann ab. Dann blieb er so stehen, reglos in der Dunkelheit, mit ausgestrecktem Arm und klopfendem Herzen.
    Es gibt keinen Gott, dachte er. So etwas wie einen Gott gibt es nicht.
     

72
    Wenn er es jetzt betrachtete, war es die ganze Zeit klar gewesen. So vieles an Flea war auffällig gewesen. Ihre Tics, Unberechenbarkeit ihres Verhaltens. Er dachte an Stuart Pearce am Fundort der Leiche Lucy Mahoneys. An den Verkehrspolizisten beim Steinbruch, der gesagt hatte, in der Nacht, in der Misty Kitson verschwunden war, sei etwas mit Flea passiert. Sie habe verstört gewirkt.
    Aus dem Wasser zu seiner Rechten kam ein leises, aber unüberhörbares Gluckern - als würde ein Tier aus dem Wasser auftauchen. Er schob das Telefon in die Tasche und entfernte sich rückwärts von dem Wagen, zog sich lautlos zwischen die Bäume zurück und blieb nach zwanzig Metern stehen, sodass er nicht mehr zu sehen war. Er wartete und beobachtete das Auto und das dunkle Wasser, in dem sich die Wolken spiegelten.
    Kleine Wellen breiteten sich auf dem Wasser aus, als hätte jemand drei Meter vor dem Ufer einen Stein hineingeworfen. Der Wasserspiegel hob sich ein wenig und gluckste wieder, und neue Wellen zerrissen das Spiegelbild der Wolken. Jemand befand sich im Wasser. Er drückte sich noch tiefer in den Schatten der Bäume. Luftblasen blubberten herauf, und dann tauchte ein Kopf auf, schwarz und glänzend. Es war Flea. Das dunstige Licht glänzte auf ihrer Taucherhaube.
    Er drückte sich an einen Baum, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, während er sie beobachtete. Sie kletterte an der rostigen Leiter herauf, zog die Maske vom Gesicht und setzte sich auf die Uferkante. Dann löste sie den Gurt, lehnte sich zurück, ließ die Taucherflaschen zu Boden rutschen und streifte Flossen und Handschuhe ab. Es dauerte einen Augenblick, bis sie den Atemregler an den Taucherflaschen zugedreht hatte und mit wackligen Knien aufstand. Sie hielt kurz inne, drehte sich einmal um die eigene Achse und schaute sich um. Das nasse Haar klebte ihr am Kopf, und ihr kleines Gesicht sah angespannt und verkniffen aus. Als sie sich vergewissert hatte, dass sie allein war, schob sie die Hand in eine Tasche am Hosenbein ihres Anzugs, zog einen Schlüssel heraus und ging zu ihrem Wagen. Aber sie öffnete nicht die Fahrertür, sondern den Kofferraum.
    Sie beugte sich hinein und schlang die Arme um ein großes, weißes Paket. Caffery wusste, was es enthielt; er sah den gelblichen Schimmer gebleichter Haare, die sich von innen an das Plastik drückten. Er tat ein paar schlurfende Schritte vorwärts und kniff sich in die Nase, als könnte ihn das zu sich bringen und begreifen lassen, dass alles nur ein Traum war.
    Langsam und schwerfällig ließ Flea die Leiche fallen. Sie landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. Flea schlug den Kofferraumdeckel zu, bückte sich und packte das Paket an zwei Ecken der Plastikplane. Konzentriert und mit zusammengebissenen Zähnen lehnte sie sich zurück und schleifte das Paket über den Boden, zwischen den Büschen hindurch, hinaus in das dunstige Mondlicht und dann weiter zum Wasser. Der Boden war holprig, und das Plastik blieb immer wieder hängen. Ein- oder zweimal sah es aus, als würde sie das Paket nicht aus dem Gestrüpp herausbekommen. Aber sie war den Umgang mit dem trägen Gewicht einer Leiche gewohnt und kämpfte dagegen. Sie brauchte zehn Minuten, bis sie sie bis zum Rand des Wassers gezerrt hatte.
    Dicht vor der Leiter ließ sie das Paket sinken und richtete sich auf; sie presste die Hände ins Kreuz und kreiste mit dem Kopf, um die Anspannung zu lösen. Plötzlich erstarrte sie. Sie drehte sich um und spähte in die Bäume.
    »Wer ist da?« Sie schaute in seine Richtung.
    Caffery kniff seine Nase noch fester zusammen und widerstand dem Drang, ihr zu antworten. Etwas presste seine Rippen zusammen.
    Sie lauschte noch einen Augenblick. Dann hob sie stirnrunzelnd ihre Ausrüstung vom Boden auf, streifte die Schwimmflossen über die Füße, lehnte sich zurück, um die Doppelflasche auf den Rücken zu nehmen, und schloss die Weste.
    Als sie ihre Taucherausrüstung vollständig angelegt hatte, stieg sie halb ins Wasser. Sie schlang einen Arm um eine Leitersprosse und zog die Leiche zu sich herunter. Das Paket richtete sich im Fallen auf, und Caffery sah ein Stück Haut unter dem zerfetzten Plastik. Aufgerissene Haut, Muskelgewebe und weißblondes Haar.
    Die Leiche war schon fast im Wasser, als Flea plötzlich
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