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Haut

Haut

Titel: Haut
Autoren: Mo Hayder
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tun, wenn es sein muss.«
    Offenbar legte er den Kopf ein wenig zur Seite, denn die Augen standen jetzt nicht mehr waagerecht. Sie fixierten sie immer noch, aber die Atmung hatte sich verändert; sie klang tiefer und langsamer. Flea konnte den Blick nicht von diesen Augen wenden, die sie anstarrten, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken.
    »Ich werde Ihnen jetzt etwas geben. Wenn Sie sehen, was es ist, werden Sie verstehen. Sie werden es wegschaffen und nie wieder darüber reden. Wenn Sie versuchen, mir etwas anzuhängen, werden Sie es bereuen. Ich weiß, wonach die Polizei suchen wird, und deshalb habe ich...«
    Sie brach ab, musste die Finger an den Hals pressen, damit ihre Stimme nicht zitterte. Die komprimierte Luft trocknete ihre Kehle aus.
    »Ich habe ein paar Dinge mit der Leiche angestellt, die verhindern werden, dass man sie zu mir zurückverfolgt. Wenn Sie zur Polizei gehen, wird man glauben, dass Sie sie umgebracht haben. Aber...« Wieder musste sie eine Pause machen, um ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen, »...wenn Sie es richtig machen und mit allem Respekt, dann werde ich eine Möglichkeit finden, Ihnen zu helfen. Ich weiß noch nicht, wie, aber ich finde einen Weg. Eine Möglichkeit, Sie zu beschützen. Es ist ganz einfach. Ein simples Tauschgeschäft.«
    Einen Moment lang stand der kleine Mann reglos da. Dann hob und senkte er kaum merklich den Kopf. Er nickte.
    Sie wischte sich über die Nase und atmete tief durch. »Gut. Mehr habe ich nicht zu sagen.«
    Sie hob die Maske, zog das Band über ihr nasses Haar und ließ die Maske oben auf dem Kopf sitzen. Sie hockte sich neben dem Kamin auf den Boden, stützte sich mit den Händen ab, schwang die Beine in die Öffnung und ins Wasser. Dann wartete sie noch einen Moment und sah dem Mann in die Augen. »Eines noch.«
    Sein Blick hob sich ein wenig. Fragend.
    »Es tut mir leid. Sehr leid.«
    Sie zog die Maske vor das Gesicht und war fort, verschwunden in einer Wolke von Luftblasen, die sprühend im Dunkeln zerplatzten.
     

71
    Im Auto vor Ruth Lindermilks Bungalow spülte Caffery die Tramadol- und Codein-Tabletten aus dem Krankenhaus mit einer Dose Sprite Lite hinunter. Sie würden den Schmerz bald lindern, aber er wusste, dass er jetzt doch nicht schlafen würde. Zu viel war heute passiert.
    Er fuhr bis zur Einmündung der Zufahrt nach Farleigh Park Hall und blieb dort lange Zeit stehen; schaute zu den hellen Lichtern hinauf und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Nachdem es dunkel geworden war, hatte die Spurensicherung die Arbeit in Tanners Haus eingestellt. Morgen früh würden sie weitermachen. Vielleicht sollten sie nach menschlichen Überresten suchen, dachte er. Nach Misty Kitson. Morgen früh würde er es ihnen sagen, und dann wollte er noch einmal zu Tanners Sekretärin gehen, zu Marsha. Misty hatte sich schon früher einer kosmetischen Operation an der Nase unterzogen, um sie wiederaufzubauen, nachdem sie durch jahrelanges Koksen zerfressen gewesen war. Das wusste er noch aus den Akten; die Operation war von einem Iraner in der Harley Street vorgenommen worden, aber vielleicht wünschte sie noch andere Eingriffe. Möglicherweise hatte sie einen Termin mit Tanner vereinbart. Die Namen sind vielleicht falsch; manchen Leuten ist es peinlich, hatte die Sekretärin gesagt. Hast du vielleicht auch Misty auf dem Gewissen, du Scheißkerl? Kann das sein?
    Er hatte vier Zigaretten geraucht und war immer noch nicht müde. Er hinterließ eine Nachricht auf Powers' Anrufbeantworter - Rufen Sie mich an. Es ist wichtig -, startete den Motor und fuhr ostwärts. Er wollte nach Hause. Aber jetzt fiel ihm wieder Arnos Chipeta ein. Das, was er wollte. Er dachte an ein Armband aus Menschenhaaren zum Schutz vor allem Bösen. Er stellte fest, dass er eine Schleife fuhr, in den dunklen Wald von Stockhill, der sich scharf vor dem Himmel abzeichnete. Und statt in seine eigene Zufahrt in Priddy einzubiegen, verließ er kurz nach zwei Uhr morgens die Hauptstraße und nahm den kleinen Weg, der zu den Steinbrüchen bei Elf's Grotto führte.
    Das Scheinwerferlicht strich über die frischen Blätter am dichten Ginstergestrüpp. Sein Instinkt riet ihm zur Vorsicht; er parkte abseits des Weges hinter ein paar Containern und legte die restlichen hundert Meter bis zum Steinbruch Nummer acht hinkend zu Fuß zurück.
    Der Nachthimmel wirkte milchig; der Mond warf sein trübes Licht auf die Gegend, und tief hängende Wolken hielten es dicht über dem Boden fest.
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