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Haut aus Seide

Titel: Haut aus Seide
Autoren: E Holly
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letztes Geld für das Taxi vom Flughafen ausgegeben.«
    Er lächelte über ihren kleinen Scherz und umfasste ihr Gesicht mit den Handflächen. »Ich bezweifle allerdings, dass ich heute besonders gute Gesellschaft sein werde.«
    »Das musst du auch nicht, Schatz. Du musst einfach nur in meiner Nähe sein.«
    Simon schloss für eine Sekunde die Augen. »Komm«, forderte er sie auf und umfasste ihre Taille. »Sagen wir meiner Mutter Bescheid, dass ich Abschied genommen habe.«
     
    Als Simon sagte, dass er die Nacht mit ihr verbringen wollte, hatte er an Lelas Wohnung gedacht – an ihr luftiges, geräumiges Loft und das bequeme Nest ihres Bettes. Aber der Drang, sich neben sie kuscheln zu wollen, war natürlich irrational gewesen. Er konnte seine Mutter nicht allein lassen. Abgesehen von der emotionalen Belastung mussten sie eine Beerdigung planen und Hunderte von Leuten verständigen. Die Presse musste informiert werden und auch die Mitglieder des Vorstandes. So hilfsbereit und freundlich Tante Grace und Onkel Pete auch waren – all das konnten sie den beiden nicht abnehmen.
    Also kehrten sie in das Haus an der Nordküste zurück. Simon war mit dem festen Vorhaben dorthin gefahren, sich um Lela zu kümmern, aber er konnte sich auf nichts anderes als die notwendigen Vorkehrungen besinnen. Selbst dazu brauchte er immer wieder einen Anstoß, wenn seine Gedanken selbst bei den simpelsten Aufgaben nicht zu seinem Vater wanderten, sondern in einer grauen, benebelten Taubheit versanken. Andrew war
während dieser Stunden wie ein Fels in der Brandung. Im Flugzeug hatte Simon ihn nicht in seiner Nähe haben wollen, denn seine Anwesenheit hatte ihn zu sehr an den Fehltritt erinnert, der ihn fast Lelas Liebe gekostet hätte. Während des Fluges hatte er ihn mehrfach angefahren – eine kindische Reaktion, die Andrew ebenso leicht zu vergessen schien, wie man das bewusste Atmen vergisst.
    Er war freundlicher, als Simon es verdient hatte. Genau wie Lela.
    Sie brachte belegte Brote in die Bibliothek, wo er und Andrew damit beschäftigt waren, die einzelnen Punkte der Aufgabenliste abzuarbeiten. Simon war sich nur schwach bewusst, dass Lela und seine Mutter kochten. Er hörte nur die Töpfe klappern und nahm den Essensgeruch wahr. Irgendwann gab er seiner Freundin die Schlüssel zu seinem Wagen, wusste aber gar nicht mehr, wozu eigentlich. Lela musste ihn fast zwingen, sich an den Esstisch zu setzen. Und obwohl er kaum schmeckte, was er aß, beruhigte das Essen doch das Zittern seiner Hände. Danach ging es sofort weiter mit den nächsten Anrufen.
    Simon war es leid, die entsprechenden Worte auszusprechen. Mein Vater ist gestorben. Howard Graves, der Gründer von Graves Incorporated ist verstorben. Als sie ihr Tagwerk beendet hatten, schmerzte sein Körper, als hätte er die letzten Stunden mit dem Ausheben von Gräben zugebracht. Er schaute noch kurz nach seiner Mutter, gab ihr einen Kuss und stapfte dann durch die leere Eingangshalle in Richtung des Zimmers, das seine Eltern immer für ihn bereithielten.
    Kurz vor der Tür wurde er von Andrew aufgehalten. Er trug ein weißes T-Shirt und knallrote Boxershorts. Die
beiden waren zwar schon oft zusammen auf Geschäftsreise gewesen, doch es machte plötzlich einen merkwürdigen Eindruck auf Simon, seinen Angestellten so unbekleidet zu sehen. Wenn ein Anzug eine Art Schutzschild war, dann war Andrews Schutzschild jetzt verschwunden.
    »Benötigen Sie etwas?«, fragte Simon. »Hat Tante Grace Ihnen ein Zimmer herrichten lassen?«
    »Ja«, erwiderte Andrew. »Es ist nur … Kommt Ihre Mutter zurecht?«
    »So gut es eben geht.«
    Andrew nickte und begann auf seiner Unterlippe herumzukauen. Offensichtlich war Tess’ Wohlergehen nicht das Einzige, was er auf dem Herzen hatte.
    Simon legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Was ist denn los? Worüber machen Sie sich Gedanken?«
    Bevor Andrew den Blick zu Boden wandte, bemerkte Simon, dass er sehr gequält wirkte. »Wünschen Sie meine Kündigung?«, fragte er kleinlaut.
    »Ihre Kündigung?! Wieso das denn, zum Teufel?«
    »Weil ich eine große Rolle bei der Übernahme gespielt habe.«
    Simon versuchte, die Spinnweben aus seinem Kopf zu vertreiben. »Sie haben mir doch erzählt, dass Sie und die Übernahmeabteilung ganz sauber vorgegangen sind. Keine schmutzigen Tricks. Das war doch wohl nicht gelogen, oder?«
    »Nein.«
    »Dann will ich auch keine Kündigung von Ihnen.«
    »Aber Lela …«
    »Lela ist nicht so kindisch, dass sie einen
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