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Haut aus Seide

Titel: Haut aus Seide
Autoren: E Holly
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stünde ihr eine Erklärung für seine Anwesenheit zu. »Hier.« Er hielt ihr einen der Becher hin. »Ein doppelter Latte mit Zimt.«
    »Das ist deiner«, sagte sie in vollem Bewusstsein, dass Tess und die anderen sie neugierig beobachteten.
    »Bitte«, erwiderte er. »Ich hab ihn nicht so nötig. Ich habe nur Kaffee geholt, weil …«
    »Weil Sie ein netter Kerl sind«, vollendete Tess seinen Satz und rettete ihn damit. Sie nahm ihm den Becher ab und reichte ihn Lela. »Wieso geht ihr jungen Leute nicht eine Runde im Park spazieren? Dort kann man euch vom Fenster aus sehen. Wir sagen Bescheid, wenn wir irgendwas brauchen.«
    Tess sanft vorgebrachter Vorschlag hätte ebenso ein Befehl sein können. Er löste bei Lela ein Gefühl von Ausgeschlossensein, gleichzeitig aber auch von Begnadigung aus. Jedenfalls war sie nicht in der Lage, sich dem Wunsch zu widersetzen. Also folgte sie Andrew durch eine Seitentür ins sonnige Freie.
    Draußen führte eine leuchtend grüne Grasfläche auf
einen kleinen Parkplatz. Das makellos gepflegte Areal war von Azaleen- und Tulpenbeeten durchzogen. Es gab sogar eine kleine Trauerweide, die Schatten spendete und auf die sie und Andrew sich ohne große Absprache sofort zubewegten.
    Der junge Mann lehnte sich gegen den knorrigen Baumstamm. Er wirkte verlegen und so ganz anders als der Mann, mit dem sie so oft geschlafen hatte und der tatsächlich eine Art Freund für sie war. Er wirkte nicht einmal mehr wie Simons rechte Hand. Irgendetwas hatte ihm seine strahlende Energie geraubt.
    Ob Simon ihn in seiner Trauer wohl von sich gestoßen hatte?
    »Ich bin froh, dass Tess uns weggeschickt hat«, sagte er. »Seit ich bei dem Meeting deinen Gesichtsausdruck sah, wusste ich, dass ich mit dir reden muss.«
    »Ach ja?« Lela blinzelte durch die sonnenbeschienenen Blätter der Weide. Ihre Gefühle für Andrew waren im Augenblick nicht gerade die freundlichsten. Der Zorn, den sie noch vor Kurzem auf Simon verspürt hatte, war keineswegs verraucht und suchte nach einem Ventil. Da bot Andrew sich geradezu an. Er gab ein ausgesprochen gutes Ziel ab.
    »Ja«, sagte er und räusperte sich. »Ich wollte dir nur sagen, dass der Kauf von Meilleurs Amis nicht Simons, sondern meine Idee war. Ich weiß, dass er dir mit der New-York-Filiale geholfen hat. Aber er hat nichts, was zwischen euch beiden besprochen wurde, an die Übernahmeabteilung weitergegeben. Wir haben unsere Recherchen selbst durchgeführt. Simon hat dein Vertrauen nicht missbraucht.«
    »Das vielleicht nicht. Aber er hat mir trotzdem nicht
gesagt, was er vorhat.« Eigentlich hatte Lela das gar nicht aussprechen wollen, aber sie nahm ihre Worte auch nicht zurück. Schließlich entsprachen sie der Wahrheit. Mit angespannten Schultern warf sie den unberührten Kaffee in einen Mülleimer. Das Metall schepperte, als der Becher hineinfiel. Nein, Simon hatte es ihr nicht gesagt. Und er hätte es tun sollen. Schließlich war sie keine flüchtige Bekannte. Sie war seine Geliebte. Und er wusste, wie viel Bea ihr bedeutete. Er hätte ihr mitteilen sollen, was da vor sich ging.
    Andrew wetzte seine Schuhe auf dem Gras. »Wenn du an Simons Stelle gewesen wärst, hättest du dann riskiert, es ihm zu erzählen?«
    »Ja«, antwortete sie knapp.
    Doch Andrews Blick verriet, dass er ihre Lüge durchschaute. Lela drehte sich wütend weg. Wütend, weil sie es nicht abstreiten konnte. Und wütend, weil sie überhaupt nicht wütend sein wollte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete einen Lieferwagen, der gerade vom Parkplatz fuhr. Auf der Seite stand in fröhlichem Blau und Weiß BLUMEN AUS NEW YORK geschrieben. Dann ging es plötzlich mit ihr durch.
    »Und was ist mit dir?«, fragte sie gereizt. »Du hast an Philips Tisch gesessen, hast das Brot mit ihm geteilt. Du warst mit seiner Stieftochter im Bett. Und hast dann – wie jeder anständige Mensch – zu dir selbst gesagt: ›Ich glaube, ich werde meinen Chef dazu überreden, ihre Firma aufzukaufen.‹ Und das alles, um einen Mann zu beeindrucken, in den du verknallt bist.«
    »Ich bin nicht in …«
    »O doch!«, widersprach Lela zornig. »Und wie du in
ihn verknallt bist. Das habe ich am Klang deiner Stimme erkannt. Und zwar jedes einzelne Mal, wenn du seinen Namen ausgesprochen hast. Du wolltest doch nur, dass ich mit ihm schlafe, weil du es selbst nicht konntest.«
    Andrew wurde rot. Aber es war nicht die Hitze, die seine Gesichtsfarbe veränderte.
    »Ich bewundere Simon Graves«,
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