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Haus der bösen Lust (German Edition)

Haus der bösen Lust (German Edition)

Titel: Haus der bösen Lust (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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verkauften sich immer noch gut genug, um ihm einen soliden Lebensstil zu sichern, und er sehnte sich danach, dazu zurückzukehren.
    Vielleicht werde ich einfach alt, überlegte er. Aber vierundvierzig war doch nicht alt, oder?
    Verdammt ...
    Das Einzige, was Hertz am Flughafen zur Verfügung gehabt hatte, war dieser peinliche VW Beetle. Der sieht doch aus wie ein Spielzeugauto, war der erste Vergleich, der ihm durch den Kopf ging, als ihm der Mitarbeiter die Schlüssel gab. Noch schlimmer war die Farbe: Limonengrün. Ja, ich kann schon vor mir sehen, wie ich mit dem Ding auf der 405 fahre. Erschwerend kam hinzu, dass der Innenraum beengt war, aber immerhin konnte er den Lookout Mountain sehen, Schauplatz einer berühmten Schlacht im Bürgerkrieg, die dem Pomp der Konföderierten endgültig den Rest gegeben hatte. Der Anblick beruhigte ihn – nicht, weil der Berg für ein Kriegsgemetzel stand, sondern weil er die Bestätigung dafür war, dass sich Collier weit von Los Angeles entfernt befand.
    Weitere Meilen blieben hinter ihm zurück. Als er bei Map-Quest eine Suchabfrage nach Gast, Tennessee durchgeführt hatte, bekam er immer wieder die Meldung: SEITE ABGELAUFEN . Er hatte den Ort schließlich auf einer 7-Eleven-Karte aufgespürt, aber das Geflecht von Nebenstraßen hatte sich in ein verwirrendes Labyrinth verwandelt. Wie schwierig konnte es sein, eine Ortschaft mit einem derart ungewöhnlichen Namen zu finden? Er brauchte eine weitere Stunde, bis er auf ein Schild stieß: Gast, Tennessee – Ortsgrenze. Historische Bürgerkriegsstätte .
    Endlich!
    Die Ortschaft präsentierte sich als strahlend wiedergeborener Anachronismus: Gepflegte Schindelgebäude säumten eine mit Kopfsteinen gepflasterte Hauptstraße namens Number 1 Street . Gewöhnlich wirkende Vertreter der Mittelschicht schlenderten auf makellosen Gehwegen, vorbei an den zu erwartenden Antiquitätenläden, Bistros und Geschäften für Sammler. Minié-geschosse! , verkündete ein Schild. Schlachtfeldkarten!
    An der Kreuzung gingen zwei ältere Frauen an ihm vorbei und lächelten. Collier lächelte zurück – »Guten Tag, die Damen!« Dann jedoch beschlich ihn der Eindruck, dass sie kicherten. Wegen diesem Schandfleck auf Rädern!, begriff er. Das kuriose Auto sprang in dieser Ortschaft ins Auge wie ein bunter Hund. Mach schon, werd grün , drängte er in Gedanken die Ampel. Mittlerweile blieben weitere Fußgänger stehen, um den Wagen mit einem verstohlenen Lächeln im Gesicht zu betrachten. Was für ein Auftritt ... Wahllos bog er ab, um möglichst rasch vor den Umstehenden zu flüchten, aber gleich darauf erblickte er ein Schild samt Richtungspfeil: Gästehaus .
    Collier querte ähnlich benannte Straßen – Number 2 Street, Number 3 Street und so weiter –, merkte sich jedoch jene, auf der er sich befand: Penelope Street . Er spähte voraus. Die Straße wand sich einen üppig grünen Hügel empor, auf dessen Kuppe ein prachtvolles Haus aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg stand. Konnte das ein Hotel sein?
    Was für ein Bauwerk . Collier verstand nicht viel von Architektur, aber als er über den Vorhof rollte, war er unwillkürlich beeindruckt. Eine aufwendige, zweigeschossige Veranda, gestützt von dorischen, mit kunstvollen Riffelungen verzierten Säulen, bildete die Fassade des Haupthauses. Das mittlere Gebäude war achteckig und besaß Mauern aus handgefertigten roten Ziegeln. Es wurde von vier weiteren, eingeschossigen Trakten seitlich flankiert, alle mit weißen Schindeln und einem tiefen, umlaufenden Vorbau. Davor blies ein Junge aus Granit in Konföderiertenkluft Wasser aus einer Flöte in ein aus Mörtel und Stein errichtetes Becken, neben dem eine knorrige Eiche wuchs, größer als jede, an die sich Collier erinnern konnte. Er parkte und stieg aus. Der Schatten des mittleren Gebäudes verschaffte ihm Kühlung.
    Prächtige, fünfzehn Meter hohe Weiden schmückten die Vorderseite des Anwesens, während einige noch ältere Eichen das restliche Grundstück zu säumen schienen.
    Collier näherte sich dem Haus. Efeuranken wucherten die verwitterten Ziegelmauern des achteckigen Bauwerks empor. Er bemerkte mehrere Autos auf einem Nebenparkplatz und hoffte, dass sie Gästen gehörten, nicht nur dem Personal – trotz des altertümlichen Prunks des Anwesens wollte er nicht der Einzige sein, der hier übernachtete. Wenngleich er nicht sicher sein konnte, glaubte er, ein Gesicht gesehen zu haben, das durch ein schmales Fenster des nächstgelegenen
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