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Haus der bösen Lust (German Edition)

Haus der bösen Lust (German Edition)

Titel: Haus der bösen Lust (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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herabstarrte. Sklavinnen in Baumwollkleidern gingen mit ihren Weidenkörben zurück zu den Sojabohnenreihen. Morris sah den Kopf noch einmal an.
    Lächelte der Mann etwa?
    Cutton schauderte.
    Plötzlich fiel ein Schatten über sie. Cutton schaute auf ... und erstarrte regelrecht.
    »Morgen, Mr. Gast«, begrüßte ihn Morris.
    Der Mann mit den strengen Zügen nickte. Grau melierte Koteletten zierten sein Gesicht. »Morris. Eine Schande, die Sache mit dem Sklaven, aber Sie haben es wie immer in die richtigen Worte gefasst.«
    »Danke, Sir. Wie Sie’s mir beigebracht haben – mach sie nich’ nieder, auch dann nich’, wenn wir ihnen Disziplin beibringen müssen.«
    »Morgen, Mr. Gast«, sagte Cutton trotz seines Unbehagens. Heilige Scheiße, warum hab ich bloß das Gefühl, dass er weiß, was ich mit seiner Frau getrieben habe?
    »Morgen, Mr. Cutton. Wie sind die Streckeninspektionen in meiner Abwesenheit gelaufen?«
    »Besser hab ich sie noch nie erlebt, Mr. Gast.« Angesichts seiner staubtrockenen Kehle hatte er Mühe beim Sprechen. Sein Herz hämmerte in der Brust. »Die Spurweite ist perfekt. Wir haben schon fast fünf Meilen geschafft, und dabei haben wir noch keine zwei Wochen hinter uns. Und die Verbindungen sind tadellos.«
    »Gut, gut.« Gast hob das verfinsterte Gesicht der Sonne entgegen. »Meine Frau hat erwähnt, dass sie gestern mit Ihnen gesprochen hat.«
    Cuttons Herz fühlte sich wie ein Stein an, der ihm gerade in den Magen gerutscht war. »Ich ... Nun, ja, Sir, ich habe sie gegrüßt, ja, Sir.«
    »Sie meinte, dass Sie ein höflicher Gentleman sind ...«
    »Das, äh, ist sehr nett von ihr ...«
    »... obwohl Sie aus Delaware stammen.«
    Die Zeit schien stillzustehen. Dann brachen Gast und Morris in Gelächter aus.
    Cutton hätte beinahe in seine Segeltuchhose gepinkelt, aber schließlich begriff er und stimmte in das Lachen mit ein, wenngleich nervös.
    »Ich veralbere Sie nur ein wenig, Mr. Cutton«, beschwichtigte Gast. Er sah sie beide an. »Ihr Männer leistet verdammt gute Arbeit. Machen Sie so weiter.«
    »Ja, Sir«, erwiderte Morris.
    Cutton fügte hinzu: »Werden wir auf jeden Fall.«
    Gast gab seinem Pferd die Sporen und ritt die Gleise entlang zurück zu den mit Schienen und Schwellen beladenen Flachwagen.
    Aber unwillkürlich waren Cutton ... Gasts Augen aufgefallen. Kurz bevor er losgeritten war, als er herabgeblickt hatte ... das Weiß seiner Augen wirkte gelblich, trübe, als hätte er Gelbsucht.
    »Ist Mr. Gast nicht ganz auf dem Damm?«, fragte Cutton.
    »Nich’, dass ich wüsst’. Wieso?«
    Cutton kaute auf der Unterlippe. »Ich dachte, seine Augen hätten etwas merkwürdig ausgesehen.«
    »Mir is’ nix aufgefallen, Cutton, und ich bin jetzt ganz schön am Arsch.«
    »Wieso das?«
    »Mich nennt er Morris aber dich Mr. Cutton. Scheiße.«
    Tatsächlich?
    »Ich wette, du lutschst ihm jeden Abend den Pimmel, was?« Morris lachte grölend und klopfte Cutton heftig auf den Rücken. »Gehn wir heut Nacht wieder in ’n Puff. Bisschen Spaß haben.«
    Cutton erinnerte sich nur allzu gut an Morris’ Vorstellung von Spaß. Er war schweißgebadet vor Nervosität. »Vielleicht. Mal sehen, wie ich mich fühle, wenn wir mit der Arbeit fertig sind.«
    Cutton schaute ein letztes Mal zu dem aufgespießten Kopf. Niemand nahm Notiz davon, niemand kümmerte sich auch nur im Geringsten. Bloß eine weitere Ermordung eines ungehorsamen Sklaven. Er schüttelte den Kopf, als Morris ihm Kautabak anbot.
    Und bemerkte etwas.
    Hol mich der Teufel ...
    Das Weiß in Morris’ Augen wirkte ein wenig ungesund, blassgelb verfärbt.
    Genau wie bei Gast.
    Abermals schüttelte Cutton den Kopf. Muss wohl am Licht liegen, tat er seine Beobachtung ab.
    »Ihr zwei!«, brüllte Morris den beiden Aufsehern auf dem Feld zu. »Schafft die Sklaven zurück zu den Gleisen. Zeit, sich wieder an die Arbeit zu machen.« Abermals klopfte er Cutton so kräftig auf den Rücken, dass Staub aufwirbelte. »Wir sehn uns heut Abend, Kumpel.«
    Damit ging Morris zurück ans Werk. Die Sklaven begannen, sich in die ihnen zugewiesenen Gruppen aufzuteilen, und schon bald hörte man Werkzeug klirren.
    Cutton stieg auf sein Pferd, hielt aber noch einen Moment inne. Sein Blick ruhte nach wie vor auf dem abgetrennten Schädel und dem starren toten Gesicht. Ist das wirklich Gerechtigkeit?, fragte er sich. Dann sagte ihm eine höchst unerwünschte Eingebung, dass es weit mehr war als das.

Kapitel 1
    I
    »Du haust also einfach ab?«, meckerte die
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