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Haus der bösen Lust (German Edition)

Haus der bösen Lust (German Edition)

Titel: Haus der bösen Lust (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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den Bart.
    »Schon besser.« Der jüngere Mann hielt den Scheck hoch. »Du rufst mich an, wennde wieder Lust hast.« Damit drehte er sich um und ging davon.
    Er verließ die Lichtung und betrat einen kaum schulterbreiten Pfad zwischen dem hohen Gras. Verhaltene Worte folgten ihm.
    »Ich liebe dich ...«
    Scheiße ...
    Er beschleunigte die Schritte, um schnell zu verschwinden. Laufen war in Ordnung. Zwar mochte er das Auto des Dicken – einen neuen Cadillac mit einer guten Klimaanlage –, aber wenn ihn solche schmalzigen Launen überkamen ... Oh Mann!
    Ich lauf lieber.
    Ein weiterer Schritt, und ...
    Verdammt noch mal!
    ... er taumelte und fiel. Seine Knie landeten hart auf dem Boden, und als er sich umdrehte, um zu sehen, worüber er gestolpert war ...
    Seine Gedanken erstarrten.
    Ein halb vergrabener, brauner Schädel starrte ihn an.
    Er war nicht zimperlich, aber einen Teil der Geschichten glaubte er. Immerhin hatte er schon so manches gesehen – sowohl hier draußen als auch im Haus ...
    Ein Schauder kroch über seinen sonnengebräunten Rücken. Er wusste, dass der Schädel sehr alt war. Außerdem wusste er, dass es sich vermutlich um den Schädel eines Sklaven handelte, nicht um den eines gefallenen Soldaten.
    Die Schädel waren überall.

Kapitel 2
    I
    »Sie haben recht«, sagte Collier zu der alten Frau, während er eine der zahlreichen Glasvitrinen bewunderte. »Ihre Pension ist wirklich wie ein kleines Museum.« Sein Blick wanderte über eine Sammlung von Gegenständen aus der Bürgerkriegszeit. Jeder wies ein Etikett auf. Esspfanne – 1861, Lochbeitel – 1859, Selbstspannender Starr-Revolver Kaliber 36 – 1863 .
    »Besuchen Sie mal das Gast-Museum in der Stadt, und Sie werden sehen, was wir hier haben, ist viel schöner und interessanter«, prahlte Mrs. Butler.
    Die nächste Vitrine enthielt Handschuhe, Gürtel und Schuhwerk. »Arbeitsschuhe?«, fragte er und zeigte auf den klobigen schwarzen Schuh.
    »Das waren damals die üblichen Kampfstiefel. Sie waren für das Überleben eines Mannes auf dem Schlachtfeld genauso wichtig wie sein Gewehr.« Sie beugte sich vor und zeigte auf einen Schuh anderer Machart. Die Geste veranlasste Collier, den Blick über die Rundungen ihres Busens wandern zu lassen. Danach blinzelte er heftig, um die Ablenkung abzustreifen.
    »Aber der da war bei Schuhen das Maß der Dinge«, fuhr sie fort. »Der Jefferson-Schuh oder Halbstiefel, wie er auch genannt wurde. Mr. Collier, Sie könnten diesen Schuh heute noch anziehen, und er würde besser sitzen als jeder modische Gucci, den man kaufen kann.«
    Collier betrachtete den hohen Lederschuh. Abgesehen von einigen Schrammen schien er in hervorragendem Zustand zu sein. Auf dem Etikett stand: Jefferson-Halbstiefel, Föderiertenmodell – 1851 – Getragen von Mr. Taylor Cutton, Streckenkontrolleur der East Tennessee & Georgia Railroad Company.
    »Alles hier wurde irgendwann mal auf diesem Grundstück gefunden«, erklärte Mrs. Butler. Stolz trat sie zurück und verschränkte die Arme unter den Brüsten, wodurch diese nur noch größer wirkten. »Ich bekomme von der staatlichen Historikerkommission eine Steuervergünstigung dafür, dass ich alles ausstelle ... und dieses verfluchte Porträt von Gast dort oben hängen lasse.«
    Der böseste Mann, der je hier gelebt hat?, dachte Collier belustigt. Wahrscheinlich bloß ein Werbegag. »Wenn der Mann so böse war, dann spukt es in diesem Haus wohl, was?«, köderte er sie.
    »Nur durch die Erinnerung an diesen gemeinen Mistkerl«, lautete die seltsame Antwort.
    Collier wechselte das Thema, wandte sich wieder dem Jefferson-Schuh und dessen längst verstorbenem Besitzer zu. »Aber von dieser Eisenbahn habe ich noch nie gehört. War sie aus der Zeit vor dem Krieg?«
    »Der Bau begann 1857 und wurde 1862 fertiggestellt«, antwortete Mrs. Butler. »Es war Gasts Eisenbahn. Er hat Gleise von hier bis mitten nach Georgia verlegt, der perfekte Anschluss für die Hauptstrecken, die in die Stadt führten. Den Bau bewältigte er mit hundert Sklaven und fünfzig Weißen – keine schlechte Leistung für die damalige Zeit. Es waren jede Menge Schienen zu verlegen.«
    Die Vorstellung beeindruckte Collier. Damals hatte man keine Maschinen gehabt, nur menschliche Muskelkraft, mit deren Hilfe Eisenschienen geschleppt und Nägel mit Hämmern in die Trassen geschlagen wurden. Fünf Jahre ... Die schwerste Arbeit, die Collier je verrichtet hatte, war vermutlich das Tragen von Einkaufstüten vom Auto ins Haus
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