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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst
Autoren: Carla Neggers
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Steuer saß. Autofahren war das Einzige, was ihre Tochter in diesem Sommer davor bewahrte, sich abgrundtief zu langweilen. Nicht einmal die Aussicht, am nächsten Tag nach Wyoming zu reisen, hatte sie aufmuntern können. Nichts würde sie auf andere Gedanken bringen – höchstens die Aussicht, doch noch ein Schuljahr bei ihrem Großvater in Washington verbringen zu können.
    Wyoming. Lucy schüttelte den Kopf. Eigentlich war es eine verrückte Idee.
    Sie ließ sich auf den von der Sonne erhitzten Beifahrersitz fallen und überlegte, ob sie den Trip dorthin nicht besser streichen sollte. Madison hatte sich bereits dagegen ausgesprochen. Und J. T., ihr zwölfjähriger Sohn, wäre auch lieber zu Hause geblieben und hätte nach Würmern gegraben. Sie wollte nach Jackson Hole fahren, um einige Fremdenführer aus dem Westen kennen zu lernen.
    Im Prinzip ist es Zeitverschwendung, überlegte Lucy. Mit ihrem Reisebüro spezialisierte sie sich auf das nördliche Neu-England und die kanadischen Seen, und sie hatte gerade damit begonnen, Winterreisen nach Costa Rica zu organisieren. Dorthin hatten sich ihre Eltern zurückgezogen und eine Pension eröffnet. Sie hatte also genügend, um das sie sich kümmern musste. Jetzt auch noch Montana und Wyoming ins Programm zu nehmen würde nur bedeuten, dass sie sich verzettelte.
    Der wahre Grund, warum sie nach Wyoming fuhr, war Sebastian Redwing und das Versprechen, das sie Colin gegeben hatte.
    Aber auch das war genau genommen Zeitverschwendung. Eine Überreaktion von ihr, um nicht zu sagen, reine Dummheit. Nur weil sie ein paar seltsame Dinge erlebt hatte.
    Lucy lehnte sich in ihren Sitz zurück. Sie spürte etwas unter ihrem Po. Es war vermutlich ein Kugelschreiber, ein Lippenstift oder ein Spielzeug von J. T. Sie fischte nach dem Gegenstand.
    Der Atem stockte ihr, als sie das warme, schwere Metallstück in ihrer Hand sah.
    Eine Pistolenkugel.
    Sie widerstand dem Drang, das Ding aus dem Fenster zu werfen. Was, wenn es explodierte? Sie schauderte, als sie auf ihre Handfläche starrte. Das war keine leere Hülse. Sie hatte Leben in sich. Groß und schwer.
    Jemand hatte diese verdammte Kugel auf ihren Sitz gelegt.
    Die Scheiben waren heruntergelassen. Sie und Madison hatten die Türen nicht abgeschlossen. Jeder hätte vorbeikommen, die Kugel auf den Sitz werfen und einfach weitergehen können.
    Lucys Hand zitterte. Nicht schon wieder. Verdammt, nicht schon wieder. Sie zwang sich, tief und gleichmäßig zu atmen. Sie kannte sich aus mit Abenteuerreisen – Paddeltouren, Kajakfahrten, Wandern, sie hatte Basiswissen in erster Hilfe. Sie konnte mit allen möglichen Herausforderungen einer jeden Reise fertig werden.
    Aber nicht mit Pistolenkugeln.
    Und sie wollte auch nichts mit solchen Dingen zu tun haben.
    Madison kam mit einigen anderen Teenagern aus dem Dorfladen. Sie hielt den Autoschlüssel so lässig in der Hand, als würde sie schon seit Jahren fahren. Die Mädchen lachten und redeten durcheinander, und sogar als Lucy die Pistolenkugel in die Tasche ihrer Shorts schob, dachte sie: Doch, Madison, du hast Freundinnen hier. Seit dem Ende des Schuljahrs hatte Madison nämlich behauptet, sich überhaupt nicht wohl zu fühlen. Vermutlich nur, um darauf hinzuweisen, wie wichtig Washington für sie war.
    Sie sprang auf den Fahrersitz. „Schnall dich an, Mama. Wir sind startklar.“
    Lucy sagte nichts von der Kugel. Das war schließlich nicht das Problem ihrer Kinder, sondern ihr eigenes. Sie hoffte immer noch, dass sie nicht mit Absicht belästigt wurde. Die Ereignisse, mit denen sie in den vergangenen Wochen hatte fertig werden müssen, waren zufällig, harmlos, bedeutungslos. Sie hatten nichts miteinander zu tun. Sie waren nicht dazu gedacht, sie einzuschüchtern.
    Der erste Zwischenfall hatte sich am Sonntagabend ereignet. Das Fenster im Esszimmer hatte offen gestanden, und die Vorhänge blähten sich in der Sommerbrise. Dieses Fenster öffnete sie normalerweise nie. Madison und J. T. sowieso nicht. Lucy hatte nicht mehr an den Vorfall gedacht, bis am darauf folgenden Abend das Telefon klingelte, kurz bevor es dunkel wurde. Als sie müde den Hörer abnahm, hörte sie nur ein heftiges Atmen, dann wurde die Verbindung unterbrochen. Merkwürdig, hatte sie gedacht.
    Als sie dann am Dienstag in ihren Briefkasten schaute, der am Anfang der Einfahrt stand, hatte sie das untrügliche Gefühl gehabt, beobachtet zu werden. Irgendetwas hatte sie beunruhigt – das Knacken eines Zweiges, das
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