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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst
Autoren: Carla Neggers
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Knirschen von Kies. Und sie war ganz sicher, dass sie es sich nicht eingebildet hatte.
    Am nächsten Morgen hatte sie dieses Gefühl wieder gehabt, als sie die Hintertreppe fegte. Zehn Minuten später hatte sie eine ihrer Tomatenstauden auf der Veranda vor dem Haus gefunden. Jemand hatte sie aus dem Boden gerissen.
    Und heute nun die Pistolenkugel auf ihrem Autositz.
    Vielleicht machte sie sich nur etwas vor. Jedenfalls glaubte sie nicht, dass das alles ausreichte, um deswegen zur Polizei zu gehen. Jeder Zwischenfall konnte, für sich genommen, einen ganz harmlosen Grund haben – ihre Kinder, deren Freunde, ihre Mitarbeiter konnten dafür verantwortlich sein, oder einfach nur Stress. Wie hätte sie beweisen können, dass jemand sie beobachtete? Es hätte sich verrückt angehört.
    Lucy wusste genau, was passieren würde, wenn sie zur Polizei ginge. Sie würden Washington anrufen, und die Beamten aus Washington würde sich gezwungen fühlen, nach Vermont zu kommen und Untersuchungen anzustellen. Und das hätte das Ende ihrer beschaulichen Lebensweise bedeutet.
    Es war nicht so, dass keiner in der Stadt über ihren Schwiegervater Jack Swift Bescheid wusste, den einflussreichen Senator. Jeder war darüber im Bilde. Aber sie hatte nie viel Aufhebens davon gemacht.
    Sie war die Witwe seines einzigen Sohnes; Madison und J. T. waren seine einzigen Enkelkinder. Jack würde die Sache in die Hand nehmen. Er würde auf einer gründlichen Untersuchung durch den Sicherheitsdienst des Capitols bestehen, um sich zu vergewissern, dass seine Familie nicht seinetwegen in Schwierigkeiten steckte.
    Lucy konnte sich nicht so recht vorstellen, warum jemand, der es auf Jack abgesehen hatte, seiner verwitweten Schwiegertochter eine Pistolenkugel auf den Autositz legen sollte. Es entbehrte jeder Logik. Nein. Sie war sicher. Ihre Kinder waren sicher. Es war einfach nur … merkwürdig.
    „Mama?“
    Madison hatte den Motor gestartet und war auf die Hauptstraße gefahren, ohne dass Lucy es bemerkt, einen Kommentar gemacht oder Anweisungen gegeben hatte. „Du machst das wirklich gut. Ich war mit meinen Gedanken gerade ganz woanders.“
    „Was ist denn los? Irgendwas mit meiner Fahrweise?“
    „Nein, natürlich nicht.“
    „Ich kann mir auch jemand anderen als Beifahrer suchen. Du musst dich nicht opfern, wenn es dich nervös macht.“
    „Du machst mich gar nicht nervös. Mir geht’s gut. Schau einfach nur auf die Straße.“
    „Das tu ich doch!“
    Madison umklammerte das Steuer. Lucy merkte, dass ihrer Tochter nichts entgangen war. Sie hatte ihr Angst eingejagt. „Madison. Du sitzt am Steuer. Du darfst dich nicht ablenken lassen.“
    „Es liegt nicht an mir. Sondern an dir.“
    An
ihr.
Lucy holte tief Luft. Sie konnte das Gewicht der Kugel in ihrer Tasche spüren. Wenn sie nun unter den Sitz gerollt wäre und J. T. sie gefunden hätte? Sie versuchte, diese Vorstellung zu verdrängen. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, sich an die Tatsachen zu halten. Es war schon schwierig genug, damit fertig zu werden.
    „Kümmer dich nicht um mich. Fahr einfach weiter.“
    Madison schnaubte verärgert. Mit ihren blauen Augen und dem kupferroten Haar, der Art und Weise, wie sie sich oft in sich selbst zurückzog, und mit ihrem ungezügelten Ehrgeiz war sie ein getreues Ebenbild ihres Vaters. Sogar die Art, wie sie Auto fuhr – und das gerade mal zwei Wochen –, war ganz und gar Colin Swift.
    Er war an Herzrhythmusstörungen gestorben, plötzlich und unerwartet, im Alter von sechsunddreißig Jahren während eines Tennismatchs mit seinem Vater. Ein angenehmes Leben und eine brillante Karriere wurden jäh beendet. Madison war zwölf gewesen, J. T. neun. Kein leichtes Alter, um den Vater zu verlieren. Sechs Monate später hatte Lucy ihre Kinder herausgerissen aus dem Leben, das sie kannten, das ihnen vertraut war – Schule, Freunde, Familie, „Zivilisation“, wie Madison zu sagen pflegte. Aber wenn sie nicht umgezogen wären, wenn Lucy nicht einen radikalen Schnitt gemacht hätte, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, dann hätten die Kinder möglicherweise auch ihre Mutter verloren. Und das wäre bestimmt keine gute Lösung gewesen.
    Nach Colins Tod hatte Sebastian Redwing sich nicht gerührt. Keine Blume, keine Karte, nicht ein einziges Wort von ihm. Zwei Monate später hatte sein Anwalt plötzlich vor ihrer Tür gestanden, um ihr das Haus seiner Großmutter in Vermont anzubieten, das er geerbt hatte. Daisy war ein Jahr vorher gestorben,
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