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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst
Autoren: Carla Neggers
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mitgeholfen hatte, den Leichnam ihres Mannes aus dem eiskalten Wasser zu bergen.
    Witwe Daisy. Und jetzt also Witwe Swift.
    Lucy zog eine Grimasse, während sie den Kiesweg zu der kleinen Scheune hinaufging. Sie hatte nicht viel an dem Gebäude verändert, als sie es zum Büro umfunktionierte. Plötzlich erschienen ihr die Jahrzehnte, die vor ihr lagen, wie ein langer Weg, und sie stellte sich vor, sechzig Jahre auf diesem Grundstück zu verbringen – allein.
    Sie blieb stehen und hörte dem Joshua-Fluss zu, wie er über die Felsen stürzte und zwischen den steilen, von Büschen gesäumten Uferböschungen hinter der Farm entlangrauschte. Die Wasserfälle selbst lagen weiter oben in den Hügeln. Hier unten war der Fluss breit geworden und bewegte sich behäbig fort, ehe er seinen Weg unter einer Holzbrücke fortsetzte und in den Strom mündete. Sie hörte das Summen der Bienen in den Malvenbüschen vor der Garage. Sie schaute sich um, ließ ihre Augen über die weitläufige Wiese schweifen, die nach den jüngsten Regenfällen in üppigem Grün stand, und über das hübsche Farmhaus aus dem 19. Jahrhundert mit den weißen Petunien in den Blumenkästen auf der vorderen Veranda. Ihr Blick fiel auf die mächtigen alten Ahornbäume, die ihre Schatten in den Vorgarten warfen, wanderte über den Garten mit seinen Gemüsebeeten und Apfelbäumen und der Steinmauer, die eine Wiese mit Wildblumen einrahmte, bis hin zu einer weiteren Mauer am Ende der Wiese. Dahinter erstreckten sich die bewaldeten Berge. Alles war so ruhig und wundervoll.
    „Du hättest es schlechter antreffen können“, flüsterte Lucy zu sich selbst, als sie ihr Büro betrat.
    Das meiste, was sie über die Familie Wheaton-Redwing wusste, hatte sie nicht von dem wortkargen und ausweichenden Sebastian erfahren, sondern von Rob Kiley, ihrem einzigen Angestellten mit einer Vollzeitstelle. Er saß vor seinem Computer in dem großzügigen, schlichten Raum, der das Herzstück ihres Unternehmens war. Robs Vater war der Junge gewesen, den Joshua Wheaton vor sechzig Jahren gerettet hatte – eine dieser weitläufigen, aber wohl unvermeidlichen Verbindungen, mit denen Lucy gerechnet hatte, als sie in diese kleine Stadt gezogen war.
    Rob schaute nicht auf. „Ich hasse Computer“, sagte er.
    Lucy lächelte. „Das sagst du jedes Mal, wenn ich hier reinkomme.“
    „Das tue ich bloß, damit dein Dickschädel es endlich begreift: Wir brauchen hier eine Vollzeitkraft, die diese Maschine bedient.“
    „Was tust du denn gerade?“ wollte Lucy wissen. Sie schaute ihm nicht über die Schulter, denn das machte ihn wahnsinnig. Er war ein schlaksiger Vermonter, der die Ruhe weg hatte und dessen Talent zum Paddeln, Kenntnisse über die Berge, Täler, Flüsse und Küsten vom nördlichen Teil Neu-Englands ihn unersetzlich machten – ebenso wie sein Enthusiasmus, seine Ehrlichkeit und seine Freundschaft.
    „Ich stelle gerade die endgültige, ab sofort in Stein gemeißelte und nie mehr zu verändernde Marschroute für die Rucksacktour von Vater und Sohn zusammen.“ Das war ein Angebot für Neu-England-Anfänger: Eine Fünf-Tage-Tour mit Rucksack auf nicht allzu schweren Wanderwegen in den südlichen Green Mountains. Das Angebot war schneller ausgebucht gewesen, als er und Lucy es sich hätten träumen lassen. Rob schaute auf, und sie wusste, was er dachte. „J. T. kann immer noch mit uns kommen. Ich habe ihm gesagt, dass ich zwar seinen Vater nicht ersetzen kann, aber wir können trotzdem eine Menge Spaß haben.“
    „Ich weiß. Doch das muss er alleine entscheiden. Ich kann nicht über seinen Kopf bestimmen.“
    Er nickte. „Na, wir haben ja noch ein bisschen Zeit. Übrigens, er und Georgie graben nach Würmern im Garten.“
    Damit hatte Lucy gerechnet. Sie lachte. „Madison wird entzückt sein. Ich habe sie nämlich gerade losgeschickt, sie zu suchen.“
    Rob lehnte sich in seinen Stuhl zurück und reckte sich. Es war eine Qual für ihn, vor einem Computer zu sitzen. Lieber hätte er jeden Tag mit Paddeln verbracht. „Wie steht’s denn mit ihren Fahrkünsten?“
    „Besser als mit meinen. Sie liegt mir immer noch wegen eines Schuljahres in Washington in den Ohren.“
    „Großvater Jack wäre begeistert.“
    „Ach, sie verklärt Washington. Es ist alles das, was Vermont nicht ist.“
    Rob zuckte mit den Schultern. „Ist doch auch so.“
    „Du bist wirklich eine Hilfe!“ Lucy verging das Lachen schnell, als sie die Hand in ihre Tasche steckte und die Pistolenkugel
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