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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst
Autoren: Carla Neggers
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und Butterplätzchen geholt. „Ich glaube, ich bin heute eher
Anne of Green Gables
.“
    „Ist das besser als John-Boy Walton?“
    Madison legte die Stirn in Falten und setzte sich auf das Korbsofa. Die schlanken Beine hatte sie hochgezogen und zum Schneidersitz verschränkt. „Mama, ich habe überhaupt keine Lust, nach Wyoming zu fahren. Kann ich nicht hier bleiben? Es ist doch nur übers Wochenende. Rob und Patti könnten auf mich aufpassen. Oder ich frage eine Freundin, ob sie bei mir bleibt.“
    Lucy schenkte sich ein Glas Limonade ein und setzte sich auf einen Korbstuhl. Ihre Tochter war verdammt hartnäckig. „Ich dachte, du könntest es kaum erwarten, von Vermont wegzukommen.“
    „Aber doch nicht nach Wyoming. Da sind nur noch mehr Berge und Bäume.“
    „Höhere Berge, andere Bäume. Und in Jackson gibt es ganz tolle Geschäfte.“
    Ihr Gesicht hellte sich auf. „Heißt das, du gibst mir Geld?“
    „Ein bisschen. Ich dachte eigentlich eher an einen Schaufensterbummel. Die Preise sind da nämlich ziemlich gesalzen.“
    Ihre Tochter fand das nicht komisch. „Wenn ich im Flugzeug neben J. T. sitzen muss, will ich aber erst sehen, was er in seinen Taschen hat.“
    „Ich erwarte, dass du die Eigenheiten deines Bruders respektierst, genauso wie ich von ihm erwarte, dass er deine respektiert.“
    Madison verdrehte die Augen.
    Lucy nahm einen Schluck von der Limonade. Die Mischung von herb und süß war perfekt – genau wie bei ihrer fünfzehnjährigen Tochter. Madison entknotete die Beine und stürzte ins Haus. Nicht nur, dass dieses Kind der Großstadt in der hintersten Provinz festsaß; nun sollte die bedauernswerte große Schwester auch noch neben ihren kleinen Bruder ins Flugzeug gesteckt werden.
    Lucy nahm sich vor, sie am Wochenende in Ruhe zu lassen, damit sie mit sich ins Reine kommen konnte. Dann würde sie mit ihr über Lebensansichten diskutieren und darüber, dass sie nicht mehr allzu oft am Steuer würde sitzen dürfen, wenn sie ihre Einstellung nicht änderte.
    Sie legte die Füße auf das Geländer und hoffte, dass die kühle Brise ein wenig Entspannung bringen würde. Die Reise nach Wyoming war im Grunde sinnlos. Sie wusste es, und ihre Kinder ahnten es zumindest.
    Die Petunien brauchten Wasser. Sie ließ den Blick über die schöne Wiese mit den riesigen Ahornbäumen schweifen, die üppigen alten Rosensträucher, die beschnitten werden mussten. Heute war sie mit ihrer Fünfzehnjährigen, die am Steuer gesessen hatte, in die Stadt gefahren, hatte eine Dose mit Würmern begutachtet und sich mit den bevorzugten Rollenspielen ihrer Tochter beschäftigt – mal John-Boy Walton, mal die entsagungsvolle Anne of Green Gables – und eine Pistolenkugel auf ihrem Autositz gefunden.
    Das Tagewerk der Witwe Swift.
    Lucy trank noch etwas Limonade. Sie war ruhiger geworden. Sie war schon so lange alleine zurechtgekommen. Sebastian Redwings Hilfe brauchte sie gar nicht. Eigentlich brauchte sie überhaupt keine Hilfe.
    J. T. erlaubte seiner Mutter, ihm nach dem Abendessen beim Packen zu helfen. Lucy hielt Ausschau nach Waffen, Pistolenkugeln und anderen gemeingefährlichen Gegenständen. Sie fand nichts. In dem Zimmer herrschte das übliche Chaos, das typisch war für die zahlreichen Interessen und Hobbys eines Zwölfjährigen. Poster von Darth Maul und Wanderfalken, Steifftiere und Lego-Spielzeug, Sportutensilien, hässlich aussehende Superhelden und Monster und viel zu viel Kleinkram.
    Er hatte kein Fernsehgerät in seinem Zimmer. Er hatte keinen Computer. Schmutzige Wäsche lag zwischen der sauberen auf dem Boden. Schubladen waren halb herausgerissen, aus einer hing ein Hosenbein heraus, aus einer anderen quollen Boxershorts.
    Im Zimmer roch es nach dreckigen Socken, Schweiß und Erde. Ein Dachfenster gab den Blick frei auf den Garten hinter dem Haus, wo sie noch die Spuren seiner und Georgies Wühlarbeiten sehen konnte.
    „Du hast die Würmer doch nicht etwa mit in dein Zimmer genommen?“ fragte Lucy.
    „Nein. Ich und Georgie haben sie wieder freigelassen.“ Er sah sie an und verbesserte sich: „Georgie und ich.“
    Sie lächelte. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie ein Foto an seinem schwarzen Brett, auf dem Colin und J. T. zu sehen waren. Unvermittelt schoss ihr das Blut in den Kopf, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen. Die Ränder des Bildes waren eingerissen und vergilbt und voller Löcher, weil J. T. es so oft umgesteckt hatte. Ein kleiner Junge und ein
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