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Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah
Autoren: Virna Depaul
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jagte ihm eine Heidenangst ein.
    Schmerz und Schuldbewusstsein traktierten ihn gleichermaßen. Schon früher hatte er Familien schlechte Nachrichten überbringen müssen. Er war inzwischen einigermaßen abgehärtet gegen deren Schmerz. Im Grunde hatte er Schmerz immer als ein zu überwindendes Hindernis betrachtet, hatte ihn umschifft, bisdie Familie eines Opfers ihm endlich die benötigte Information geliefert hatte. Danach ging es nur noch darum, den Fall zu lösen. Ja, dazu gehörte, dem Opfer zu Gerechtigkeit zu verhelfen, damit die Familie einen Schlussstrich ziehen konnte, doch das hatte er nie als sein ultimatives Ziel gesehen. Immer hatte er seine Erfolgsbilanz im Hinterkopf und den Vorsatz, sich niemals von einem Kriminellen unterkriegen zu lassen.
    Jemand kniete vor ihm und hatte die Hände um sein Gesicht gelegt. Allmählich klärte sich sein Blick, und er erkannte Carrie Ward. Im ersten Moment bewegte sie stumm die Lippen, doch dann drangen die Worte zu ihm vor.
    „Mac, sie wird wieder gesund. Der Arzt hat es bestätigt.“
    Zitternd griff Mac nach ihren Handgelenken und zog Carries Hände von seinem Gesicht. Er hatte ihren Trost nicht verdient. „Ihre Augen. Der Arzt sagt, sie hätte ein Schädeltrauma erlitten. Das Schwein hat ihr ins Gesicht getreten. Der Arzt kann nichts über die Auswirkungen auf ihre Sehkraft sagen …“
    „Du weißt nicht, ob sie dauerhafte Schäden davongetragen hat. Sie hat schon einmal komplett ihre Sehkraft verloren und dann zum Teil zurückgewonnen.“
    „Und wie stehen die Chancen, dass es noch einmal so kommt? Verdammt noch mal, sie hätte tot sein können!“
    Die Erkenntnis hatte ihn schockiert. Hatte ihm klargemacht, wie viel Farbe und Leuchtkraft sie in so kurzer Zeit in sein Leben gebracht hatte. Er hatte alles immer nur auf seinen Beruf reduziert. War erleichtert über das Ende seiner Ehe mit Nancy gewesen, und die Erleichterung bewies, dass ihm das Alleinsein bestimmt war. Dass er damit glücklicher sein würde. Aber so war es nicht. Nancy war einfach die falsche Frau für ihn gewesen. Erst jetzt, nachdem er Natalie um ein Haar verloren hätte, war ihm diese Erkenntnis gekommen.
    „Ist sie aber nicht, Mac. Sie hat sich gegen ihn gewehrt und überlebt, weil sie dich nicht verlassen wollte!“
    Er starrte Carrie an, begriff nicht, woher sie das wissen wollte. Ein Blick in Jase’ Richtung verstärkte dessen Unbehagen. Offenbarhatte er Carrie gegenüber geäußert, wie wichtig Natalie für Mac geworden war. Mac war nicht sauer. Ihm war es gleich, wer von seinen Gefühlen für Natalie wusste, selbst wenn diese Gefühle ihn seinen Job kosten sollten. Doch er dachte an den Klang ihrer Stimme, als er sie abgewiesen hatte. An beide Male. Nachdem sie sich geliebt hatten und als sie ihn angerufen hatte. Er rechnete keineswegs fest damit, dass sie ihn wiedersehen wollte, schon gar nicht nach diesem Tag.
    Carrie rückte zur Seite, als eine der OP-Schwestern fragte: „Lebt Ms Jones allein? Bis zu ihrer Entlassung wird noch einige Zeit vergehen, aber ich muss wissen, an wen ich mich wenden kann, wenn es so weit ist.“
    „An mich.“ Mac reichte der Schwester seine Karte. „Rufen Sie mich an. Falls ich nicht hier bin. Aber ich werde hier sein“, fügte er matt hinzu.
    Die Schwester lächelte. „Sie kann sich glücklich schätzen, Sie zu haben.“
    Ach ja? dachte Mac, als sie gegangen war. Er bezweifelte, dass Natalie der gleichen Meinung war, ganz gleich, ob ihre Sehkraft sich noch mehr verringert hatte oder nicht. Würde das der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte? Würde sie überhaupt noch weiterleben wollen? Wie denn, nach allem, was sie durchgemacht hatte?
    Aber sie will weiterleben, redete Mac sich ein.
    Natalie hatte um ihr Leben gekämpft. Zuerst in ihrem eigenen Haus und dann hier in dem Büro, wo er sie gefunden hatte. Aus dieser Erkenntnis heraus überdachte er noch einmal Carries Worte.
    Natalie hatte um ihr Leben gekämpft. Und was hatte er tun wollen? Sie allein ihrer Genesung überlassen wie Duncan Oliver, dieser Mistkerl? Nein, zum Teufel. Vielleicht liebte sie ihn nicht, vielleicht wollte sie nichts mit ihm zu schaffen haben, doch das war allein ihre Entscheidung. Er würde sie nicht im Stich lassen, wenn sie ihn brauchte, und er würde verdammt noch mal tun, was in seiner Macht stand, damit sie sich letztendlich nicht dafür entschied, ihn zu verlassen.
    Er stand auf und strich Carrie über die Schulter. „Danke, Carrie. Ich gehe jetzt
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