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Hastings House

Hastings House

Titel: Hastings House
Autoren: Heather Graham
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am Arm. Oder bildete sie sich das nur ein? Sie wandte sich ihm wieder zu und war noch verwirrter als zuvor. Von dem Streichquartett, das bis eben noch gespielt hatte, hörte sie jetzt nichts mehr. Stattdessen schien es so, als würden Schreie und eine chaotische Unruhe aus weiter Ferne zu ihr durchdringen.
    “Du dumme Rebellin”, flüsterte er tapfer lächelnd – Worte, die er auch früher schon so oft zu ihr gesagt hatte. “Du musst hierbleiben. Du kannst noch nicht gehen.”
    “Und wer will mich davon abhalten, Matt Connolly?”, erwiderte sie. “Du etwa?”
    “Deine Zeit ist noch nicht gekommen”, erklärte er mit Nachdruck. “Leslie, es gibt Dinge, die du erst erledigen musst. Du wirst
nicht
dem Licht folgen.”
    “Hey, willst du mir etwa irgendwas verheimlichen?”, konterte sie ironisch. Als sie sich umsah, entdeckte sie andere Gäste, die ebenfalls aufstanden und in einer Reihe langsam auf das Licht zugingen. “Matt, ich gehöre zu dir. Wenn wir etwas machen, dann gemeinsam. Komm, ich muss mich in die Schlange stellen.”
    “Wir stehen schon vom ersten Tag an in der Schlange”, sagte er mit sanfter Stimme. “Aber du bist noch nicht an der Reihe. Du musst hierbleiben. Manche Dinge sollen so sein, wie sie sind.”
    “Manche Dinge sollen so sein, wie sie sind?”, wiederholte sie.
    “Ja”, beteuerte er und drückte ihre Hand, woraufhin sich eine ungeheure Hitze in ihrem Körper ausbreitete.
    Plötzlich wurde sie herumgerissen.
    “Hey!”, rief eine tiefe Stimme. “Hier lebt noch jemand!”
    Diese ganze Szene kam ihr vor wie aus einem Film – dem falschen Film, den sie sich nicht nur als Unbeteiligte von außen ansah. Nein, an dieser Szene schien sie aktiv beteiligt zu sein. Ein entsetzlicher Gestank hing in der Luft: Es roch nach Feuer.
    Plötzlich konnte sich Leslie an eine Explosion erinnern. Jemand hatte “Gas!” gerufen, und dann hatte es eine Detonation gegeben, die die ganze Welt zu erschüttern schien. Ja! Jetzt erinnerte sie sich deutlicher daran … an das Gefühl, hochgehoben zu werden … durch die Luft zu fliegen … und mit voller Wucht gegen eine Wand zu prallen. Aber … sie lag nicht an einer Wand.
    Vielmehr lag sie in einer langen Reihe zusammen mit vielen anderen Menschen, die ruhig schliefen. Erstaunt stellte Leslie jedoch fest, dass sie keinen einzigen dieser Menschen kannte. Um sie herum herrschte ein heilloses Chaos. Matt war ihre einzige Hoffnung auf Rettung … aber wo war er? Leslie sah nur Rettungshelfer, die dieses Chaos zielstrebig durchkämmten und für Ordnung sorgten. Die frisch gestrichenen Wände des Raumes waren rußgeschwärzt und verbrannt. Alles deutete auf eine Explosion hin und auf ein anschließendes Feuer.
    Ganz plötzlich verspürte sie heftige Schmerzen! Sie war wieder in ihrem Körper angekommen und betrachtete diese ganze grausame und traurige Szenerie nicht länger aus einer sphärischen Perspektive. Erst jetzt nahm sie auch den entsetzlichen Gestank wahr, der ihr in die Nase stieg: Es roch nach verbranntem Holz und nach etwas anderem, etwas Schlimmerem – nach verbranntem Fleisch.
    Schlagartig wurde Leslie bewusst, dass die Menschen, die links und rechts neben ihr lagen, gar nicht schliefen.
    Sie waren tot.
    Leslie blickte in die geöffneten, starren Augen der Frau neben ihr. Und dann bemerkte sie, dass ein Mann neben ihr kniete. Aber es war nicht Matt.
    “Die hier lebt noch”, brüllte der Mann.
    Natürlich lebe ich noch, dachte sie.
    Plötzlich ging wieder alles drunter und drüber. Andere Leute kamen zu ihr gelaufen, gestikulierten und riefen sich aufgeregt etwas zu.
    “Schnell, sonst verlieren wir sie”, diese Worte, die an Leslies Ohr drangen, schienen aus weiter Ferne zu kommen. “Sie hat kaum noch Puls!”
    Noch mehr Leute drängten sich um sie.
    “Fertig!”
    Ein Feuer fraß sich durch ihre Brust, jeder Knochen in ihrem Körper schien vor Schmerz zu schreien. Sie wusste, dass sie die Augen öffnen und Luft holen musste.
    Es gelang ihr zu blinzeln. Die Lichter, die sie sah, waren bloß der fahle Schein von Neonröhren in der Nacht.
    “Wir haben sie! Sie ist wieder da!”
    Dann wurde sie auf etwas Sanftes, Flaches gelegt. Wie in Watte gepackt nahm sie wahr, dass jemand mit dem Mann neben ihr sprach. Ihr Bild von der chaotischen Szene war mit einem Mal so gestochen scharf, dass es schmerzte.
    Vier Tote lagen an der Wand aufgereiht. Einer von ihnen war … Matt.
    Das Licht verschwand ebenso wie die Verwirrung, und zurück blieb nur
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