Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hastings House

Hastings House

Titel: Hastings House
Autoren: Heather Graham
Vom Netzwerk:
Herz. Wieder und wieder ging er die Ereignisse im Geiste durch und versuchte, einen Ablauf zu entwickeln, bei dem alles anders gewesen wäre … und bei dem sie überlebt hätte.
    In seiner Hand hielt er eine Rose, die er nun auf das frische Grab legte. “Ich habe versagt”, sagte er leise. Leslie hatte noch keinen Grabstein, aber er würde einen Platz neben dem von Matt bekommen, einem schlichten Stein aus weißem Marmor. Er hatte ihn selbst für Matt ausgewählt. “Und bei dir habe ich auch versagt”, fügte er hinzu.
    Er schloss die Augen. Es war ein ungewöhnlich schöner Tag gewesen, mit einem strahlend blauen Himmel und einer leichten Brise. Dennoch hatte er bis zum späten Nachmittag gewartet, ehe er wieder herkam. Die Sonne schien sanft vom Himmel, die Luft war angenehm warm. Joe saß da, bis die Farben des Sonnenuntergangs den ganzen Himmel eingefärbt hatten, als könnten die Pastelltöne des nahenden Abends allem Geschehenen einen Sinn geben.
    Warum war er bloß hergekommen?
    Meinte er, einer der beiden würde mit ihm reden? Ja, vielleicht war es genau das, überlegte er.
    Plötzlich fühlte er eine Hand auf seiner Schulter und drehte sich um.
    Neben ihm stand Genevieve O’Brien. Sie war von einer fast erschreckenden Schönheit, mit ihren himmelblauen Augen und dem mattroten Haar, das eine innere Wildheit zu versprechen schien. Sie war schlank und sehr blass. Kein Wunder, schließlich hatte sie zwei Monate in einer unterirdischen Zelle zugebracht und Todesängste ausgestanden. Insgesamt schien sie diese Tortur aber erstaunlich gut überstanden zu haben. Ihr Blick hatte etwas Energisches und wich seinem nicht aus. Aber sie war von Anfang an stark gewesen … stark genug, um zu überleben.
    Bei der Beerdigung hatte sie einen Nachruf auf Leslie gehalten, einen herausragenden Tribut an die Frau, die ihr Leben für sie geopfert hatte. Ihre Worte waren so stark und einfühlsam gewesen – sie hatten die Herzen all jener Freunde und Bekannten berührt, die Leslie gekannt hatten. Zumindest für eine Weile würden die Menschen miteinander etwas besser umgehen, denn Leslie war eine echte Heldin gewesen.
    An diesem Vormittag hatte auch Genevieve am Grab gestanden, um Blumen auf Leslies Sarg zu legen, als sie auf einmal von einem Reporter belästigt wurde. Damit war Joes Geduld am Ende gewesen, und er stellte sich zwischen die beiden. Was genau er dem Mann gesagt hatte, wusste er nicht mehr, auf jeden Fall hatte der Reporter sofort fluchtartig den Friedhof verlassen. Genevieve hatte ihn mit ihren unendlich blauen Augen, in denen Tränen schwammen, angesehen und ein leises “Danke” gehaucht.
    Nun setzte sie sich zu ihm auf die Bank.
    “Wie fühlen Sie sich?”, fragte sie.
    Er sah sie an. “Gut. Und Sie?”
    Ihr Blick war auf die Gräber gerichtet. “Gut. Und dankbar. Und entschlossener als jemals zuvor, in meinem Leben etwas zu erreichen.”
    Er fand, dass sie wirklich erstaunlich war. Dann schaute auch er zu den Gräbern. “Das habe ich auch versucht”, murmelte er.
    Daraufhin legte sie ihm erneut eine Hand auf die Schulter. “Sie beide haben mein Leben gerettet. Und Sie haben ein Ungeheuer unschädlich gemacht.”
    Langsam schüttelte er den Kopf. Leslies Leben hatte er nicht retten können.
    “Ich könnte einen Drink gebrauchen”, erklärte sie plötzlich.
    “Was?”
    “Würden Sie mich irgendwohin begleiten, vielleicht ins O’Malley’s? Ich könnte wirklich einen Drink vertragen.”
    “Ich … ja, sicher.” Was brachte es schon, auf einem Friedhof zu sitzen?
    Genevieve stand auf und hielt ihm ihre Hand hin. Er ergriff sie und erhob sich ebenfalls von der Bank. Gemeinsam gingen sie den leichten Hang hinab, um zum Ausgang des Friedhofs zu gelangen.
    Auf einmal blieb sie stehen und drehte sich um. “Sie ist jetzt bei ihm”, sagte Genevieve leise.
    “Wie bitte?”
    “Sehen Sie doch.”
    Er wandte sich um.
    “Sehen Sie da drüben, wo wir gesessen haben.”
    Er schaute in die angegebene Richtung und blinzelte. War es das restliche Sonnenlicht, oder war es Wunschdenken, von dem sein benommener Geist erfüllt wurde?
    Und doch …
    Dort waren die beiden. Matt, groß und breitschultrig, das Haar golden glänzend, wie er die schlanke Schönheit an seiner Seite anlächelte. Leslie mit ihrem vornehmen Gesicht, den funkelnden Augen, die auf den Mann gerichtet waren, den sie liebte. Matt nahm ihre Hand, lachte, setzte sich hin und zog sie in seine Arme, damit sie gemeinsam die letzten Sonnenstrahlen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher