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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete
Autoren: Agnes Kottmann
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ich auch, was Robin damit gemeint hat: ›Tsunami ist kein Mann.‹ Tsunami ist kein Mann. Tsunami ist ein Monster.«
    Wolfgang beäugte mich irritiert: »Wer? Ich?«
    »JAAAA!«, schrie ich und holte triumphierend ein Handy oben aus der Tasche.
    »Noch ein Handy!?«, staunte er.
    Er schaute auf das Display, die Nummer kannte er wohl nicht. Die Verbindung stand noch immer.
    »Das ist ein Handy von der Polizei und die Nummer von Hauptkommissar Emmerich. Du kennst ihn ja vom Verhör. Du kannst mich jetzt ruhig auch ins Wasser werfen, aber diesmal nützt es dir nichts. Die haben alles mitgehört und mitgeschnitten.«
    »Du bluffst«, sagte Wolfgang, aber er war kreidebleich im Gesicht.
    »Nein, das tue ich im Gegensatz zu dir nicht. Siehst du dieses Mini-Mikro in meinem Jackenknopf? Es ist nur so groß wie eine Stecknadel, aber es hat eine ausgezeichnete Aufnahmeleistung. So etwas kriegt man nur bei der Polizei. Du bist geliefert, Wolfgang Richter. Jetzt haben dir deine Machtspielchen und deine Manipulationstechniken doch nicht mehr geholfen.«
    Ich schaute ihm direkt in sein fassungsloses Gesicht. Dann lächelte ich und sagte so freundlich wie nur möglich: »Ich geh dann jetzt. Fliehen ist übrigens zwecklos, das ganze Gelände ist umstellt.«
    »Wie hast du das gemacht?«, fragte Wolfgang wutschnaubend.
    »Wie war das noch mal mit der Angst und dem Vertrauen!?«, schleuderte ich ihm ins Gesicht. »Vielleicht ist deine Methode doch nicht so genial!?«
    Rückwärtsgehend entfernte ich mich von ihm. Wie auf mein Kommando kamen jetzt hinter dem Wald und der nächsten Straßenbiegung Polizeiwagen hervor. Und am Ende der Brücke tauchte ein Polizeibeamter auf und sprach in ein Megafon.
    »Hier spricht die Polizei, nehmen Sie die Hände über den Kopf und rühren Sie sich nicht vom Fleck«, dröhnte die Stimme von Kommissar Emmerich herüber.
    Ich war schon fast am Ende der Brücke angelangt. Da erkannte ich Janni, Daniel und Mike auf der kleinen Straße, die zur Fußgängerbrücke führte, und ich lief ihnen entgegen. Mom folgte ihnen mit einer Polizeibeamtin. Sie sah auch auf die Entfernung sehr blass aus. Janni und Daniel schoben Mike noch schneller, als sie mich laufen sahen. Und als wir schon fast aufeinandergeprallt wären, schmiss ich mich Mike in die Arme. So gut das eben geht, wenn jemand im Rollstuhl sitzt. »Es ist vorbei«, flüsterte ich, »es ist endlich vorbei.« Und dann fing ich an zu schluchzen und die ganze Erleichterung brach aus mir heraus, wie ein Wasserfall. Mike strich mir über den Rücken und sagte immer wieder: »Es ist ja gut!«
    »Dass du dich getraut hast!«, meinte jetzt Janni. »Ich bin ja schon hier fast gestorben vor Angst!«
    »Das war wirklich sehr mutig, Michelle«, fügte jetzt auch Daniel hinzu.
    Dann kamen mehrere Beamte auf uns zu. Sie hatten rund um die Brücke Scharfschützen positioniert, die auch aus mehreren Hundert Metern Entfernung Wolfgang angeschossen hätten, wenn er doch auf die Idee gekommen wäre, mich in den Fluss zu schmeißen. Auch Rettungsschwimmer hatten für alle Fälle bereitgestanden. Trotz dieses großen Sicherheitsaufgebots war meine Mutter gegen diese ganze Aktion gewesen. Irgendwann hatte sie sich aber doch überzeugen lassen. Allerdings nur, weil sie wusste, dass mich diese Geschichte sonst überhaupt nicht mehr losgelassen hätte.
    Erst jetzt merkte ich, dass Mike zitterte, und ich erkannte, wie sehr auch ihn das Ganze mitgenommen hatte. Sachte nahm ich sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn auf den Mund.
    »Kannst du dich denn wenigstens noch an das hier erinnern?«, fragte ich ihn und lächelte. Er schüttelte ernst den Kopf und ich wusste nicht, ob er es ernst meinte oder sich nur einen Spaß mit mir machte, bis seine Mundwinkel anfingen zu zucken. Da küsste ich ihn immer wieder, bis er endlich anfig zu lachen und meinte: »Ich glaube, das kommt mir doch irgendwie bekannt vor.«
    Ein Bauer tuckerte mit dem Traktor und einem Heubinder über die Flusswiese, die jetzt an einen braun-rot-gelben Blätterwald grenzte. Eine Jungs- und eine Mädchenmannschaft spielten gegeneinander Fußball auf dem Bolzplatz und auf dem Spielplatz warfen ein paar Kinder mit Sand nach ihren Eltern, bis die von der Bank aufsprangen und anfingen zu brüllen. Ich stand auf der Brücke und schickte Robin eine SMS an seine alte Handy-Nummer:
    Liebe Grüße aus Kinderhaus!
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