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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete
Autoren: Agnes Kottmann
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Mitgefühl gehen?«, überlegte Wolfgang. Wenn ich ihn so vernünftig reden hörte, konnte ich mir wirklich nicht vorstellen, was für ein Scheusal er sein konnte.
    Wir sprachen jetzt so ehrlich und ernsthaft miteinander, dass ich aufpassen musste, meinen Plan nicht aus den Augen zu verlieren. Aber wahrscheinlich war auch das alles Taktik von Wolfgang. Er schaffte es einfach immer wieder, dass man ihm glaubte und vertraute!
    »Ich hab Robin einfach zu gern gehabt«, fuhr er fort. »Das war der wahre Grund – und nicht, dass ich partout kein Kind wollte oder Lisa nicht genug geliebt habe.«
    Ich hatte schon wieder das Gefühl, dass der Wolf dabei war, mir Honig um den Bart zu schmieren. Er sah mich durchdringend an, als wollte er herausfinden, ob ich ihm glaubte. Robin hatte ja zu Helen Marquardt gesagt, dass Wolfgang in die Köpfe anderer Leute gucken könnte.
    Jetzt war der richtige Moment.
    Ich holte wie beiläufig mein Handy heraus. »Robin hat mir nach seinem Tod eine SMS geschickt«, behauptete ich.
    »Wie bitte? Das geht doch gar nicht!«
    »Doch, er hat die SMS vorher geschrieben und als Sendetermin das Datum von vorgestern eingegeben. Sie lag also so lange bei dem Provider.«
    »Aber sein Handy war doch fast leer, alles gelöscht, abgesehen von ein paar SMS«, wandte Wolfgang ein.
    »Dann hat er wohl das Handy von dieser Marquardt benutzt. Warte, ich guck mal nach, ob die Nummer unterdrückt ist. Dann wissen wir es.«
    Ich holte mein Handy hervor und scrollte umständlich durch die Liste der eingegangenen SMS. Ich achtete darauf, dass meine Hand über das Brückengeländer hinausragte und fummelte so lange mit den Tasten herum, bist das Telefon mir, ganz zufällig, aus der Hand rutschte und hinunter in den Fluss fiel.
    »Mist!«, fluchte ich. Und guckte dem Handy nach.
    Auch Wolfgang sah, wie es ins Wasser plumpste. »So ein verdammter Mist!«, wiederholte ich.
    »Was hatte er denn geschrieben?« Ich spürte, dass Wolfgang sich jetzt anstrengen musste, ruhig und gelassen zu bleiben, obwohl es ihn brennend interessierte.
    Das war der entscheidende Moment. Jetzt durfte ich keinen Fehler machen.
    »Aber du musst mir versprechen, dass du mir nichts tust!?« Meine Stimme zitterte wirklich ein bisschen. Er könnte mich jetzt einfach packen und übers Geländer werfen.
    »Warum sollte ich dir denn was tun?«, sagte er sanft und strich mir den fransigen Pony zur Seite. »Ich mag dich doch. Du bist so ein tolles Mädchen.«
    »Du weißt ja noch gar nicht, was Robin gesimst hat!?« Lauernd blickte ich in seine Augen und überlegte, ob ich es wagen konnte.
    »Wohl möglich, dass ihm unsere Spiele doch viel mehr ausgemacht haben, als ich dachte? Mein Gott ja, das tut mir leid. Wir Erwachsenen gehen zu oft von uns selbst aus, können uns nicht in euch Jugendliche hineinversetzen, die oft aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Beim letzten Mal ist er ja sogar von sich aus auf mich zugekommen. Ich konnte doch nicht ahnen, was dann passieren würde.« Jetzt hatte er sich richtig in Rage geredet. »Also, was war es?«
    Ich holte tief Luft: »Robin hat geschrieben, dass du …« Ich stoppte, fixierte seine Augen. Den Rest sagte ich wie in Trance. Die Worte fielen aus mir heraus, weil ich gleichzeitig Angst hatte, zu blinzeln und die entscheidende Regung in seinem Gesicht zu verpassen. »… dass du in Wahrheit viel ärmer dran bist als er, weil du dich selbst hasst und das an anderen auslässt.«
    Ich bluffte und hoffte, dass dieser Trick ausreichend an Wolfgangs Ego kratzen würde.
    »Warum das denn? «, fragte er unschuldig. »Ich?«
    »Ich zeig dir, was er meint.« Und ich zog mich aufs Geländer, setzte mich mit dem Rücken zum Wasser.
    »Mein Gott, Michelle! Wenn du fällst!?« Wolfgang war wieder sofort bei mir und legte seine Hände um meine Schultern, damit ich nicht nach hinten kippen konnte.
    Mein Herz klopfte. Wahrscheinlich war ich tatsächlich lebensmüde! »Du bist so ein verdammter Loser«, fuhr ich ihn an. »Kannst dich nur groß und stark fühlen, wenn du andere quälst.«
    »Und wie war das mit euch beiden? Mit Mike und dir?«, rechtfertigte er sich sofort.
    »Ja, es stimmt. Es war nicht okay, was wir mit Robin gemacht haben. Und Mike war bereit, dafür zu bezahlen. Er ist ja wohl bestraft genug.«
    »Und was ist deine Strafe?« Seine Augen funkelten böse.
    »Ich bin jetzt in der gleichen Situation wie Mike«, sagte ich.
    »Aber ich tu dir doch nichts. Ich habe Mike …«, sofort verstummte er. Ich konnte
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