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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete
Autoren: Agnes Kottmann
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abhängig zu machen, ob dein Daumen hoch- oder runtergeht.« Weiter kam ich nicht, weil er mich so doll schüttelte, dass ich dachte, mein Kopf würde gleich wegfliegen.
    »Du glaubst also, Mike mochte mich nicht, ja!? Und wieso hat er mich dann gefragt, warum ich ihn nicht aufhalte? Er saß da so wie du jetzt. Nur ein Stück weiter drüben.« Er deutete mit dem Kopf nach rechts.
    »Er saß da und musste sich nur ein bisschen nach hinten lehnen. Und da hat er mich gefragt: ›Warum versuchst du nicht, mich aufzuhalten? ‹ Und ich hab gesagt: ›Warum hältst du dich nicht selber auf?‹ – Er hat mich angefleht, ihm die Entscheidung abzunehmen. Er meinte, nur ich könne ihm anstelle von Robin verzeihen und vergeben. – Glaubst du immer noch, dass Mike mich nicht mochte?«
    Ich umging seine Frage: »Und dann?«
    »Hat er gesehen, dass ich weggehe. Und er hat ›Wolfgang!‹gerufen und ›Bitte!‹. Immer wieder ›Bitte!‹. Und ich hab mich kurz umgedreht und hab diese Hilflosigkeit in seinem Gesicht gesehen. Er hätte alles für mich getan. Und das widerte mich an. Ich hab ihm noch zugewunken. Und dann hat er sich fallen lassen.« Wolfgang kicherte. »Er mochte mich, aber ich mochte ihn nicht, nicht mehr. So was geht ganz schnell bei mir.«
    Ich kriegte kaum noch Luft. Mit den Fäusten hämmerte ich gegen seine Brust: »Lass mich sofort runter, du Schwein!« Zu meiner großen Überraschung tat er genau, was ich wollte. Was gut war, denn auch wenn ich noch nicht fertig war, hätte ich es keine Sekunde länger dort oben ausgehalten. Ich landete auf beiden Füßen.
    »Kannst es ruhig der Polizei erzählen«, gab er sich großspurig. »Auf unterlassene Hilfeleistung bei Selbstmord gibt’s keine Strafe.«
    Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor lauter Ohnmacht richtig auszurasten. Dann hätte ich mein Ziel verfehlt. »Wie ist das genau mit Robin passiert?«
    »Robin?«, kicherte er wieder. »Der hatte wirklich mehr Biss als Mike. Den habt ihr unterschätzt. Der wollte es durchziehen. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut. So viel Mut und Entschlossenheit. Mein jahrelanges Training hat wohl doch etwas genützt.«
    Er merkte nicht, wie weit er schon gegangen war und dass er sich zu weit vorgewagt hatte. Er merkte nicht, wie viel er jetzt preisgab. »Wie er so dasaß auf der Balustrade und mich frech angrinste.« Er lächelte süffisant bei der Erinnerung daran. »Ich hab mich vor ihn gestellt und ihm vorgeworfen: ›Du traust dich ja doch nicht.‹ – Und er hat gesagt, dass er zuerst mit seinen Büchern in die Berkel gehen wollte. Um euch einen Denkzettel zu verpassen! ›Die sollen ihr Leben lang an mich denken und sich scheiße fühlen‹,hat er gesagt . Da wusste ich noch nicht, dass er von innen abgeschlossen und meinen Schlüsselbund in seiner Hosentasche hatte. Seinen eigenen hatte er unter die Matte draußen vor die Wohnungstür gelegt. Also wär ich nicht rausgekommen.«
    Den Bund mit dem Autoschlüssel, der auf dem Bürgersteig aus Robins Hosentasche gerutscht war. Ich sah ihn sofort wieder vor mir. Ich machte wohl ein triumphierendes Gesicht – jedenfalls sagte er: »Vergiss nicht. Bei uns würde immer Aussage gegen Aussage stehen. Und im Zweifel für den Angeklagten.«
    »Aber wie bist du dann rausgekommen?«
    »Durch Mike. Er wollte sich bei Robin entschuldigen, weil er ihm ja gedroht hatte, ihn gefesselt in die Berkel zu werfen. Er hatte es natürlich nicht so gemeint. Und als er draußen vor der Wohnungstür stand, wäre er beinahe über die Fußmatte gestolpert und hat so den Schlüssel darunter entdeckt.«
    Dann war also Wolfgang derjenige gewesen, den Mike gesehen hatte. Nicht Lisa, wie ich lange vermutet hatte. Aber wieso hatte er nicht sofort erzählt, dass er Wolfgang aus der Wohnung befreit hatte. Ihm musste doch von Anfang an klar gewesen sein, dass Wolfgang der Hauptverdächtige war.
    »Und was hast du Mike erzählt?«, versuchte ich, ruhig zu bleiben.
    »Dass Robin vom Balkon gefallen ist. Und da brach alles aus Mike raus, dass er zu spät gekommen wäre, dass er schuld sei … Und ich dachte: Hey, das ist mein Junge! Damit kann man arbeiten. Ich hab ihm seine Schuldgefühle natürlich gelassen und ihn zum Schweigen verdonnert und dafür gesorgt, dass er alles sicherstellte, was Robin hinterlassen hatte.«
    Das zweite Handy und der Schlüssel für die Wohnung der Richters aus dem Umschlag im Keller. Und Robins Abschiedsbrief.
    Mike war also in Wolfgangs Auftrag noch mal zurück in den
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