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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete
Autoren: Agnes Kottmann
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Pedale, konnten Robin aber nicht abhängen. Nachdem wir die Siedlung erreicht hatten, übernahm ich die Führung und bog zum Haus von den Saalfelds ab. Ich war mir sicher, dass Robin aufgeben würde. Mich kannte Mikes Mutter gut, weil ich oft bei ihnen war. Aber Robin war nur selten dort und hatte bestimmt Hemmungen, sich selbst einzuladen.
    Richtig vermutet! Robin bog nach links durch die Durchfahrt in den Innenhof des Hochhauses und hob zum Abschied die Hand, als wären wir gemeinsam nach Hause gefahren.
    Ich reagierte nicht und schaute ihm nur genervt hinterher. Wie konnte man so merkwürdig sein? Es war wirklich schwer, Robin zu mögen und zu verstehen oder wenigstens Mitleid zu entwickeln. Sein Verhalten machte mich immer nur aggressiv! Manchmal wollte ich ihn am liebsten packen und schütteln und anschreien. Aber auch dann würde er einen wahrscheinlich nur mit großen, stumpfen Augen ansehen und schweigen.
    Die jetzt wieder wolkenfreie Juni-Sonne toastete die dunklen Dachplatten auf dem weißen Bungalow der Saalfelds. Es roch angebrannt. Die Fugen zwischen den weißen Steinen waren schwarz, die Rasenkanten geschnitten, die Blumenbeete gehackt und selbst die Waschbeton-Auffahrt war von Unkraut befreit. Auch der hartnäckigste Löwenzahn, der den Beton bezwungen hätte, war gegen Evelyn Saalfeld chancenlos.
    Sie erwartete uns schon an der Tür, hatte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst und sagte zur Begrüßung keinen Ton. Aber sie hielt es nur ungefähr drei Minuten aus, die beleidigte Leberwurst zu spielen. Dann fing sie an zu keifen, warum Mike erst jetzt kommen würde und sie unverschämter Weise auch noch einfach aus der Leitung gedrückt hatte. Mike schwieg. Er wusste, dass es überhaupt keinen Zweck hatte, mit seiner Mutter eine Diskussion anzufangen.
    Ich durfte nicht mit zu Mike aufs Zimmer. Sie verlangte, dass er zuerst Mittag aß und danach lernte. War wohl doch nicht so eine gute Idee gewesen, zu Mike nach Hause zu gehen, so wie die heute drauf war.
    »Na, dann«, sagte ich, »sehen wir uns vielleicht später!?« Ich machte auf dem Absatz kehrt und hatte schon die Türklinke in der Hand.
    »Wenn du willst, kannst du gern einen Happen mitessen«, lud sie mich widerwillig ein und schenkte mir ein schiefes Lächeln. »Es ist genug da.« Sie wusste, dass meine Mutter so gut wie nie mittags kochte und ich nicht so »versorgt« wurde, wie sie das auch in unserem Alter noch für nötig hielt. Aber ich hatte ja vorhin schon den Bagel gegessen und war eigentlich immer noch pappsatt. »Danke, aber ich hab schon bei Robins Mutter in der Stadt gegessen«, sagte ich. Wie sich das anhörte. Als hätte Lisa für mich gekocht.
    Evelyn Saalfeld runzelte die Stirn, setzte aber sofort wieder ein Lächeln auf: »Du verhungerst hier schon nicht. Da passen Lisa und ich schon auf.«
    Das war ja wohl eindeutig ein Seitenhieb gegen meine Mom. So eine Rabenmutter war sie nun auch nicht.
    »Na, dann«, sagte ich nur, nahm mein Rad und schob es nach Hause. Im Innenhof sah man von den unzähligen Balkonen die Markisen wie gefärbte Zungen herunterhängen. Zufällig entdeckte ich sofort Robins Rad. Ein Delfin klebte auf dem Schutzblech des Hinterrades. Er war mir noch nie aufgefallen. Der gleiche klebte auch auf seinem Handy. Komisch, dass er was für Delfine übrig hatte, obwohl er Wasser so furchtbar fand.
    Ich lehnte mein Rad gegen seins, weil meines keinen Ständer hatte.
    Durch die Hintertür mit dem Guckfenster aus Glas ging ich ins kühle Treppenhaus und nahm den Aufzug in den siebten Stock. Mit der Sanierung war auch ein Hausmeister in den Wohnkomplex eingezogen, der sich um alles kümmerte. Jetzt flogen nur noch selten Werbeprospekte und Anzeigenblätter unter den Briefkästen herum. Die Graffitis im Hausflur und an den Außenwänden waren verschwunden und im Aufzug roch es auch nicht mehr nach Urin, sondern nach einem ätzenden Putzmittel. Ich trottete aus dem Aufzug direkt gegenüber zu unserer Wohnungstür und schloss auf. Genau in diesem Augenblick kam meine Mutter die Treppe runter.
    »Hallo, mein Schatz, ich hab Wolfgang Curry fürs Kochen vorbeigebracht.« Wolfgang war Robins Vater, genauer gesagt, Stief vater. Er kochte fast jeden Tag für die Familie und schrieb ansonsten ein Buch über Firmen- und Personalmanagement. Früher war er mal Unternehmensberater gewesen, bevor er mit Lisa und Robin hierhergezogen war.
    »Ich bin ein bisschen bei ihm hängen geblieben und wir haben noch einen Kaffee
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