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Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Titel: Harper Connelly 04 - Grabeshauch
Autoren: Charlaine Harris
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zur Arbeit gehen.« Iona arbeitete Teilzeit bei Sam’s Club, und Hank leitete die Fleischabteilung eines Wal-Mart-Supercenters.
    »Wie machen sich die Mädchen so in der Schule?«, stellte ich meine Standardfrage. Ich zwang mich weiterhin, nicht zu Tolliver
     hinüberzusehen. Ich wusste, dass er genauso geplättet war wie ich. Iona ging uns voraus in die Küche, wo wir uns normalerweise
     unterhielten. Das Wohnzimmer hob Iona für echte Freunde auf.
    »Mariella entwickelt sich recht ordentlich. Sie ist eine durchschnittliche Schülerin«, sagte Iona. »Und Gracie, heißtes, hinkt den anderen immer ein klein wenig hinterher. Möchtet ihr Kaffee? Ich habe gerade Wasser aufgesetzt.«
    »Das wäre toll«, sagte ich. »Ich trinke ihn schwarz.«
    »Ich weiß«, sagte sie mit einer gewissen Schärfe, als unterstellte ich ihr, eine schlechte Gastgeberin zu sein. Das klang
     schon eher nach der Iona, die ich kannte, und ich begann, mich wohler zu fühlen.
    »Und ich trinke meinen mit etwas Zucker«, sagte Tolliver. Während sie uns den Rücken zukehrte, sah er mich an und zog die
     Brauen hoch. Iona führte irgendetwas im Schilde.
    Kurz nacheinander stellte sie Tolliver einen Becher und eine Zuckerdose hin und legte einen Löffel und eine Serviette dazu.
     Ich wurde als Zweite bedient und bekam einfach nur den Becher. Iona schenkte sich ebenfalls Kaffee ein und ließ sich auf den
     Stuhl sinken, der der Kaffeemaschine am nächsten war. Dabei sah man, dass sie wirklich sehr erschöpft war. Eine Weile sagte
     sie nichts. Sie schien über etwas nachzudenken. Der Tisch war rund, und in der Mitte lag ein Stapel Briefe. Ich überflog ihn
     unwillkürlich: die Telefonrechnung, die Rechnung für das Kabelfernsehen und ein handgeschriebener Brief, der aus seinem Umschlag
     hervorsah. Die Schrift kam mir unangenehm bekannt vor.
    »Ich bin erledigt«, sagte Iona. »Ich habe sechs Stunden am Stück im Laden gestanden.« Sie trug ein T-Shirt , eine Baumwollhose und Turnschuhe. Sie hatte sich nie so viel aus Mode gemacht wie meine Mutter, bis die sich für gar nichts
     mehr interessierte außer für Drogen beziehungsweise dafür, wo sie sie als Nächstes herbekam. Eine unerwartete Sympathie für
     Iona wallte in mir auf.
    »Das ist wirklich anstrengend«, sagte ich, aber sie hörte mir gar nicht zu.
    »Da kommen die Mädchen«, sagte sie, und meine Ohrenregistrierten, was ihre längst gehört hatten: den Klang von Schritten vor der Garagentür.
    Kurz darauf stürmten unsere Schwestern herein und ließen ihre Schulranzen an der Garderobe fallen. Sie hängten ihre Jacken
     an den Haken, zogen ihre Schuhe aus und stellten sie neben ihre Ranzen. Ich überlegte, wie lange Iona wohl gebraucht hatte,
     um ihnen das beizubringen.
    Ich betrachtete meine Schwestern aufmerksam. Bei jedem Besuch hatten sie sich wieder verändert. Ich brauchte dann immer eine
     Weile, um alles in mich aufzunehmen. Mariella war jetzt zwölf und Gracie drei Jahre jünger.
    Die Mädchen waren überrascht, uns zu sehen, aber nicht sehr. Keine Ahnung, ob Iona sie überhaupt vorgewarnt hatte. Mariella
     und Gracie umarmten uns pflichtbewusst, aber ohne große Begeisterung. Das wunderte mich nicht, wenn man bedenkt, wie sehr
     sich Iona bemüht hatte, uns in den Augen der Mädchen als nebensächlich erscheinen zu lassen, vielleicht sogar als schlechten
     Einfluss. Und da sie sich nicht mehr an Cameron erinnerten, waren wohl auch ihre Erinnerungen an den Wohnwagen nur noch schwach
     bis gar nicht mehr vorhanden.
    Ich wünschte es ihnen.
    Mariella sah immer mädchenhafter und nicht mehr so schwerfällig aus. Sie hatte braune Haare und braune Augen und war so robust
     gebaut wie ihr Vater. Gracie war schon immer recht klein für ihr Alter, aber auch launischer gewesen als Mariella. Zum ersten
     Mal küsste sie mich von sich aus.
    Es ist nie einfach, Kontakt zu unseren Schwestern herzustellen. Man muss sich ins Zeug legen, um eine Bindung aufzubauen,
     die von Anfang an belastet war. Sie saßen mit uns und der Frau, die wie eine Mutter für sie war, am Tisch und beantworteten
     Fragen. Und sie freuten sich über ihre kleinen Geschenke. Wir kauften immer jeder ein Buch, umsie zum Lesen zu ermutigen – eine Freizeitbeschäftigung, die im Hause Gorham eher selten gepflegt wurde. Aber wir brachten
     ihnen auch immer etwas anderes mit, irgendeinen Schnickschnack, den man im Haar tragen kann, oder Modeschmuck, nichts Übertriebenes.
     Es fiel schwer, nicht zu strahlen wie ein
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