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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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die der kleinen Steinpyramiden, die in der Höhle vom Boden aufwachsend das Vorwärtskommen so schwer gemacht hatten.
    Mattotaupa bewegte sich plötzlich. Mit der Geschwindigkeit einer flüchtenden Eidechse glitt er von seinem Platz weg und hinter Steinblock und Gebüsch zu Harka. Wortlos warteten dann beide. Sie brauchten ihre Gedanken nicht auszutauschen. Es war klar, daß Sonnenregen den Vorgang vom anderen Ufer her beobachtet haben mußte und so rasch, wie es unbemerkt möglich war, herüberkommen würde.
    Nach kurzem erfüllte sich diese Erwartung. Sonnenregen kroch heran, Mattotaupa und Harka rückten zusammen, und eng aneinandergedrängt beobachteten die drei vom gleichen Versteck aus die Quelle. Dort ging etwas vor, was ihre Aufmerksamkeit und ihr Erstaunen erregte. Der Quellstrahl wurde unruhig, schwächer, zerteilter, als ob er im Innern des Berges ein Hindernis für sein Hervorbrechen gefunden habe. Dann schoß er plötzlich mit verdoppelter Gewalt hervor und schleuderte dabei zwei faustgroße Steine mit, von denen der eine auf das Kieselgeröll polterte, der zweite gegen einen Stamm schlug. Harka sah die beiden Steine, vom Bachwasser übersprüht, liegen. Sie waren ebenso spitzig und sonderbar geformt wie der erste, der seinen Verdacht erregt hatte.
    Mattotaupa, Sonnenregen und Harka schauten sich fragend an. Die beiden Männer begannen in der Zeichensprache miteinander zu sprechen.
    »Das ist kein Mensch, der diese Steine schleudert«, sagte Mattotaupa.
    »Das Wasser ist Zauberwasser«, antwortete Sonnenregen. Die Männer hielten die Hand bergend vor den Mund, und Harka tat nach ihrem Beispiel.
    Mattotaupa begann, sich vom Bach weg in den Wald zurückzuziehen, die beiden anderen folgten ihm. Als sie eine gewisse Entfernung vom Bach gewonnen hatten, so daß man ein leises Wort dort nicht mehr hören konnte, begann Mattotaupa flüsternd zu berichten, was geschehen war, als er allein an der Quelle gewacht hatte.
    »Wißt«, sagte er, »nachdem Harka mich verlassen hatte, lag ich versteckt und beobachtete die Quelle. Einmal hörte ich weiter unten im Wald ein Reh. Wir haben Hunger im Dorf. Ich wollte mich aufmachen, um es mit dem Messer zu erlegen, und ich gestehe, ich war zu schnell, ich verließ mein Versteck, um von der Lichtung aus besser zu lauschen und sprungbereit zu sein. Nicht länger als du brauchst, um das Auge mit dem Lid zu bedecken, stand ich mit dem Rücken gegen die Quelle. Da fühlte ich einen Schlag gegen den Hinterkopf; ich sah nichts mehr, wußte aber noch von mir. Ich stürzte.« Mattotaupa machte eine Pause.
    »Ein Stein hatte dich getroffen?« fragte Sonnenregen.
    »So war es. Er liegt noch am Bach. Habt ihr ihn nicht gesehen? Es ist kein Kiesel.«
    »Ich habe ihn gesehen«, sagte Harka.
    »Bald wurde es mir wieder licht vor den Augen«, erzählte Mattotaupa weiter. »Aber ich wußte nicht, wie der Stein durch die Luft hatte fliegen können, und ob nicht ein Feind ihn geworfen hatte. Wenn es ein Feind war, der ihn geworfen hatte, wollte ich ihn überlisten. Ich blieb reglos liegen, damit er mich für tot halten sollte. Wenn er kam, um meinen Skalp zu holen, wollte ich aufspringen und ihn töten. Aber es ist kein Feind gekommen. Ihr seid gekommen.«
    »Ja«, antwortete Sonnenregen nur und überlegte dann lange. Endlich nahm er wieder das Wort. »Es ist eine Zauberhöhle, und es ist Zauberwasser«, sprach er dann und legte großes Gewicht auf jedes Wort. »Hawandschita, unser Zaubermann, hat das ganze Dorf gewarnt. Es war nicht gut, Mattotaupa, daß du in der Nacht vor unserer Wanderung zu der Zauberhöhle gegangen bist und einen Knaben mitgenommen hast. Der Zaubergeist hat dich noch einmal gewarnt. Es kann auch sein, daß dies für uns alle ein böses Zeichen ist.«
    Harka sah, wie dem Vater das Blut aus dem Gesicht wich, so daß seine braune Haut einen grauen Schimmer bekam. »Ein böses Zeichen? Wofür?« fragte Mattotaupa mit einer Stimme, die so wenig Klang hatte wie ein gesprungener Krug.
    »Ein böses Zeichen dafür, daß wir uns in große Gefahr begeben, wenn wir mit unseren wenigen Männern in neue Jagdgründe ziehen.« Mattotaupa runzelte die Stirn. »Die Büffelherden scheinen ihre Wege geändert zu haben. Wir wollen nicht verhungern.« Sonnenregen vermied es, dem Häuptling ins Gesicht zu sehen. »Also gehen wir«, sagte er nur noch. Die Männer wollten sich in Bewegung setzen, da machte Harka ein bittendes Zeichen mit der Hand.
    »Du willst noch etwas sagen?« fragte ihn der
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