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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter
Autoren: Sabine Weiß
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besitzergreifend seine Hände auf ihre Hüfte.
    »God verdammich, dat is en Schietbüdl. Der kann nich betalen   – aber ich!«, knurrte er. Sein finsterer Blick ließ Henrike zusammenzucken. Streit mit einem Seemann, das brauchte sie nicht auch noch. Schnell machte sie sich los. Die Frau schmiegte sich an ihn.
    »Leve Mann, dat is wol recht. Aber ein paar Pfennige für meine Bringdienste können nicht schaden. Wir bringen ihn zu Mette. Und dann suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen«, versprach sie.
    Schnell hatten sie ihr Ziel erreicht, ein großes Fachwerkhaus in der Hartengrube, dessen frisch geweißter Putz in der Dunkelheit leuchtete. Einige Male war Henrike an diesem Gasthof schon vorbeigegangen, ohne zu ahnen, was sich in seinem unscheinbaren Anbau befand. Aber man konnte eben nicht hinter die Fassaden schauen   – ebenso wenig, wie man Menschen in die Seele zu blicken vermochte, wie Henrike leidvoll hatte lernen müssen. Sie fühlte sich, als ob Hummeln in ihrem Bauch summten. Jetzt galt es! Noch konnte sie umkehren, konnte das Geheimnis ungelöst lassen. Aber dann würde sie die Wahrheit nie erfahren, der Gerechtigkeit nie zum Sieg verhelfen. Sie gingen zu einer unscheinbaren Tür neben dem Gasthaus. Auf ihr Klopfen hin öffnete ein Mann. Er wollte die Dirne vertreiben, doch diese brachte hastig ihr Anliegen hervor.
    »Gehörst wohl auch zu den Patrizierbürschchen, die es hier mal ihren Vätern gleichtun wollen?«, sagte er grinsend und enthüllte dabei mehrere Goldzähne.
    Henrike blickte an ihm vorbei in den Raum. An einer Tafel feierten junge Männer, auf ihren Schößen grell geschminkte Frauen. Das Bier spritzte aus den Krügen, als sie sich übermütig zuprosteten. Über den Tisch tanzten die Würfel. Auf einer Bank ein Paar, eng umschlugen, Schultern und Brüste der Frau nackt. Henrike kannte etliche der Anwesenden; es waren die Söhne von Ratsherren. Einer war darunter, den ihr Vater früher einmal als ihren Ehemann in Erwägung gezogen hatte. Unwillkürlich tat sie einen Schritt zurück, doch der Türsteher zog sie schon hinein.
    »Ich hab ihn gebracht, gib mir dafür ein paar Pennige«, forderte die Dirne.
    »Ich geb dir gleich was ganz anderes!«, drohte der Goldzahn. Henrike konnte ihr Schimpfen noch durch die zugeschlagene Tür hören.
    Blinzelnd sah sie sich um, nestelte unwillkürlich an ihrem Kragen. Zu schrill war die Musik der Spielleute, zu stickig die Luft im Hurenhaus. Der Geruch von blumigem Duftwasser mischte sich mit dem scharfen von Schweiß. Von dem Schankraum gingen mehrere Zimmer ab, eine Treppe führte ins Obergeschoss. Sie schluckte trocken. Dass ihr Vater hier ein- und ausgegangen war! Sie musste an Adrian denken, und ihr Herz tat einen Sprung. War auch er schon in einem Hurenhaus gewesen, hatte auch er auf diese Weise seine Unschuld verloren? Aber nein, Adrian war anders, er würde nicht   – oder doch?
    Die Krogersche schob sich an ihr vorbei, in den Händen einen Fächer aus Bierkrügen. Henrike schüttelte ihre Gedanken an Adrian ab. Es spielte ohnehin keine Rolle mehr. Arm wie sie war, kam sie als Ehefrau für ihn nicht infrage. Und wenn sie hier jemand erkannte, war auch noch ihr Ruf dahin. Hoffentlich würde keiner der jungen Freier sie bemerken. Der Mann mit dem Goldzahn wandte sich ihr zu.
    »Mette ist beschäftigt. Aber Tyrre mit den Ringen ist frei.« Er wies auf eine Dirne, deren Bauchfett Wellen schlug.
    »Ich will zu Mette, sonst nichts«, sagte Henrike so fest sie konnte. Sie wog ihren Geldbeutel in der Hand, als ob er besonders schwer wäre. Der Mann fuhr mit der Zunge über den Metallzahn, als wolle er sich vergewissern, dass er noch da war.
    »Vielleicht hast du ja Glück, und ihr steht nach der harten Arbeit der Sinn nach etwas   ... Angenehmerem.« Er wies auf eine Nische neben einer Tür.
    Henrike setzte sich. Schwere Vorhänge fassten die Nische ein, die Kissen waren aus Seide. Sie musste zugeben, dass an der Ausstattung dieses Saales nicht gespart worden war, auch wirkte alles sehr gepflegt. Als die Schankfrau sie diensteifrig ansah, senkte sie den Blick. Wenn sie nur niemand ansprach! Da nahm sie leises Poltern, Knallen und Stöhnen wahr. Es drang aus dem Zimmer hinter ihr. Was waren das für seltsame Laute? Bilder schoben sich vor ihr inneres Auge, doch keines schien zu diesen Geräuschen zu passen. Sie rutschte auf der Bank herum, erregte damit jedoch die Aufmerksamkeit des Goldzahns und beherrschte ihre Unruhe.
    Henrike versuchte noch einmal
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