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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring
Autoren: Anne Kathrine Green
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den eben Eintretenden.
    Der bucklige Rotkopf, wie Sie ihn nennen, ist verschwunden, entgegnete Byrd; vielleicht gelingt es Hunt, seine Fährte wieder aufzufinden. Den Hausierer aber, der so ängstlich um die Ecke schlich, während wir vor demGericht standen, habe ich festgenommen; das schien mir das Erste und Wichtigste!
    Meinen Sie? erwiderte Ferris, der des jungen Mannes einnehmenden, aber harmlosen Gesichtsausdruck mit gutmütigem Spott betrachtete. Halten Sie etwa den Hausierer für den Schuldigen, weil jener schlaue Unbekannte unsere Aufmerksamkeit in so auffälliger Weise auf ihn gelenkt hat?
    Byrd errötete in augenblicklicher Verlegenheit, doch faßte er sich schnell. Ich weiß noch zu wenig von dem Tatbestand, sagte er, um auf den mutmaßlichen Täter schließen zu können.
    Das Verbrechen ist fast genau auf die Weise verübt worden, wie sie der Bucklige angab, war des Bezirksanwalts Erwiderung. Im Begriff, die Wanduhr zu stellen, ist die Frau von hinten zu Boden geschlagen worden; dort liegt das Holzstück, das von ihrem Herd genommen wurde und als Mordwaffe gedient hat; die abscheuliche Theorie wurde hier in die Praxis umgesetzt.
    Und glauben Sie, daß eine längere Zeit zwischen der Untat und ihrer Entdeckung verflossen ist?
    Nein. Das Essen dampfte noch in der Küche, wo es zum Anrichten bereit stand.
    Dann, meinte Byrd zuversichtlich, kann ich Sie versichern, daß der Bucklige den Streich nicht geführt hat. Dazu wäre doch wohl seine Anwesenheit hier im Zimmer erforderlich gewesen. Nun habe ich ihn aber den Morgen über mit eigenen Augen im Gerichtssaal gesehen. Er saß in der Nähe der Tür und fiel mir besonders auf.
    Merkwürdig, brummte Ferris in ärgerlichem Ton; er ließ sich nicht gern auf einem Irrtum ertappen.
    Es ist nur ein Schritt über die Straße, gab der Doktor zu bedenken, wie leicht kann er sich eine Zeitlang entfernt haben, ohne daß Sie es gewahr wurden.
    Byrd wußte hierauf keine Antwort. Der Hausierer scheint mir höchst verdächtig, äußerte er.
    Schwerlich hätte er das Geld hier liegen lassen, sagte Ferris, auf das Silbergeld deutend.
    Wer kann wissen, was ihn bewogen hat, sich aus dem Staube zu machen, ohne zuvor die Früchte seines Verbrechens zu ernten? Jedenfalls glaube ich, der Hausierer wird den Gerichten zu schaffen machen und nicht der Bucklige.
    Sich höflich vor den beiden Herren verbeugend, verließ Byrd mit diesen Worten das Zimmer.
    Möglich, daß der junge Mensch recht hat, murmelte Ferris vor sich hin. Und doch: der Rotkopf muß ein Prophet und Hellseher sein oder er hat um das Verbrechen gewußt!
    Der Gerichtsarzt nickte zustimmend.

Zweites Kapitel.
    Seitdem man die Witwe auf ihr Lager gebettet, waren anderthalb Stunden verflossen, ohne daß eine merkliche Veränderung in ihrem Zustand eingetreten wäre. Außer dem Arzt saßen noch mehrere Nachbarinnen an ihrem Bette, auf jeden ihrer Atemzüge lauschend und des Augenblicks harrend, wo Leben in die unbeweglichen Züge kommen würde, auf welchen schon die Schatten des Todes lagerten.
    Im Wohnzimmer besprach sich Ferris mit dem Rechtsanwalt Orkutt darüber, was er etwa im Laufe der Jahre von den Verhältnissen der Frau in Erfahrung gebracht habe, mit welcher er in fast täglichem Verkehr gestanden. Draußen am Hoftor bildeten sich noch immer neue Gruppen Teilnehmender oder Neugieriger. Man stritt eifrig hin und her, ob der Hausierer oder der Bucklige der Mörder sei, sprach von Charakter und Lebensweise der Witwe, von der Möglichkeitihres Wiederaufkommens, wiederholte die Aussprüche des Doktors und stellte eigene Vermutungen auf.
    Byrd, der junge Detektiv, lehnte am Gitter, scheinbar mit eigenen Gedanken beschäftigt, und ließ sich das bunte Stimmengewirr ruhig um den Kopf herumschwirren. Auf einmal erschallte ein kurzer Aufschrei – es entstand eine plötzliche Stille – dann ward eine klare, volltönende Frauenstimme vernehmbar, welche die herrische Frage tat:
    Habe ich recht gehört – ist es wahr – Frau Klemmens ermordet – von einem Vagabunden in ihrem eigenen Hause? – Gebt mir Antwort!
    Sofort hefteten sich aller Augen auf die Sprecherin, die von der Straße herkam. Byrd sah, wie sich die Menge teilte, und ein junges Mädchen in den Hof trat. Es war eine auffallende Erscheinung, majestätisch in Haltung und Gebärde, eine hohe, stolze Gestalt, die den Blick wohl unwillkürlich gefesselt hätte, selbst wenn ihre Gesichtszüge nicht so blendend schön gewesen wären. Hatte man aber erst einmal in
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