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Hana

Hana

Titel: Hana
Autoren: Lauren Oliver
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verängstigt; bald werde ich von Weiße verschlungen und in eine andere Welt gesaugt werden.
    Leb wohl, Hana.
    »Perfekt.« Meine Mutter tupft sich sittsam mit der Serviette den Mund ab und strahlt Mrs Hargrove über den Tisch hinweg an. »Wirklich exquisit.«
    »Danke schön«, sagt Mrs Hargrove und neigt anmutig den Kopf, als hätte nicht ihr Koch, sondern sie selbst das Essen zubereitet.
    Meine Mutter hat eine Haushälterin, die dreimal die Woche kommt, aber ich kannte bisher niemanden mit richtigem Personal. Bürgermeister Hargrove und seine Familie haben echte Dienstboten. Sie gehen im Esszimmer herum, gießen Wasser aus Silberkrügen, füllen die Brotteller auf, schenken den Wein ein.
    »Findest du nicht, Hana?« Meine Mutter wendet sich mir zu und reißt die Augen auf, damit ich den Befehl darin erkennen kann.
    »Wirklich perfekt«, sage ich gehorsam. Meine Mutter sieht mich leicht stirnrunzelnd an und ich kann erkennen, dass sie überlegt, ob ich mich über sie lustig mache. Perfekt ist diesen Sommer ihr Lieblingswort. Hanas Auftritt bei der Evaluierung war perfekt . Hanas Notenschnitt war geradezu perfekt . Hana ist Fred Hargrove als Partnerin zugeteilt worden – dem Sohn des Bürgermeisters! Ist das nicht perfekt ? Vor allem, nachdem, na ja … da war diese unglückliche Angelegenheit mit seiner ersten Partnerin … aber am Ende wendet sich immer alles zum Guten …
    »Höchstens mittelmäßig«, wirft Fred beiläufig ein.
    Mr Hargrove verschluckt sich beinahe an seinem Wasser. Mrs Hargrove stößt hervor: »Fred!«
    Fred zwinkert mir zu. Ich senke den Kopf, um mein Lächeln zu verbergen.
    »Das war doch nicht ernst gemeint, Mom. Es war köstlich wie immer. Aber vielleicht hat Hana keine Lust mehr, über die Qualität der grünen Bohnen zu reden.«
    »Stimmt das, Hana?« Mrs Hargrove hat ganz offensichtlich nicht verstanden, dass ihr Sohn einen Witz gemacht hat. Sie wirft mir ihren fahlen Blick zu. Jetzt verkneift sich Fred ein Lächeln.
    »Doch, doch«, sage ich und versuche aufrichtig zu klingen. Es ist das erste Mal, dass ich mit den Hargroves zu Abend esse, und meine Eltern haben mir wochenlang eingeschärft, wie wichtig es ist, einen guten Eindruck zu hinterlassen.
    »Warum gehst du nicht mit Hana raus in den Garten?«, schlägt Mr Hargrove vor und steht vom Tisch auf. »Es wird ein bisschen dauern, bis Kaffee und Nachtisch serviert sind.«
    »Nein, nein.« Das Letzte, was ich will, ist, mit Fred allein zu sein. Er ist zwar ganz nett und dank des Informationspakets, das ich von den Gutachtern bekommen habe, wäre ich in der Lage, mit ihm über seine Interessen zu reden (Golf, Filme, Politik), aber trotzdem macht er mich nervös. Er ist älter als ich und geheilt und er ist schon einmal einer Partnerin zugeteilt worden. Alles an ihm – von den glänzenden silbernen Manschettenknöpfen bis hin zu der Art, wie sich seine Haare am Kragen kräuseln – gibt mir das Gefühl, ein kleines Kind zu sein, dumm und unerfahren.
    Aber Fred erhebt sich bereits. »Gute Idee«, sagt er. Er reicht mir seine Hand. »Komm, Hana.«
    Ich zögere. Es kommt mir komisch vor, hier in einem hell erleuchteten Zimmer und vor den Augen meiner Eltern von einem Jungen berührt zu werden – aber Fred Hargrove ist ja mein Partner und von daher ist es nicht verboten. Ich nehme seine Hand und er zieht mich hoch. Seine Handflächen sind ganz trocken und rauer, als ich erwartet hatte.
    Wir gehen aus dem Esszimmer in einen holzgetäfelten Flur. Fred lässt mir den Vortritt und ich bin mir seiner Blicke auf meinem Körper, seiner Nähe und seines Geruchs unangenehm bewusst. Er ist hochgewachsen. Groß. Größer als Steve Hilt.
    Sobald ich den Vergleich gezogen habe, ärgere ich mich über mich selbst.
    Als wir auf die Veranda hinaustreten, gehe ich ein Stück zur Seite und bin erleichtert, dass er mir nicht folgt. Ich lehne mich an das Geländer und blicke in die weitläufige Gartenlandschaft hinaus, über der Dunkelheit liegt. Kleine schmiedeeiserne Lampen beleuchten Birken und Ahornbäume, Kletterrosen, die ordentlich an Spalieren hochranken, und Beete mit blutroten Dahlien. Die Grillen zirpen, ein heiserer Gesang. Es riecht nach nasser Erde.
    »Wie schön!«, platze ich heraus.
    Fred hat sich auf die Hollywoodschaukel gesetzt und die Beine übergeschlagen. Sein Gesicht liegt größtenteils im Schatten, aber ich kann sehen, dass er lächelt. »Mom arbeitet gern im Garten. Eigentlich glaube ich, dass sie am liebsten Unkraut
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