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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman
Autoren: Adam-Troy Castro
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einer Träne nahekam, doch das Material unterhalb des Grats war dehnbar und nahm unter dem Einfluss unseres Gewichts die Form einer flachen Schüssel an.
    Gibb war nicht der einzige Mann im Raum. Der andere war eine kompakte, Grimassen schneidende Gestalt mit einem geschorenen Kopf und einer scheibenförmigen Speicherprothese an der Schläfe. Seine Augen glühten wie Laser. Beide Männer trugen locker sitzende graue Hosen und Westen mit unzähligen Taschen, die anscheinend speziell dazu geschaffen worden waren, ihre beeindruckende körperliche Fitness zu unterstreichen. Ob dieser Körperbau durch intensives Training schwer verdient oder von einem Händler für übertriebene physische Modifikationen installiert worden war, war nicht zu erkennen.
    Die Luft in der Hängematte war schal und stank nach Alkohol und Körpergeruch. Aber in Anbetracht meiner Erleichterung, nicht länger über einen Sturz in die stürmische Atmosphäre von One One One nachdenken zu müssen, wirkte das Gemisch beinahe berauschend auf mich.
    Andererseits hielt Gibb immer noch meinen Arm fest.
    Ich wollte mich losreißen. »Loslassen.«
    »Sie sahen aus, als hätten Sie Probleme ...«
    »Hatte ich.«
    »Es gibt nichts, dessen Sie sich schämen müssten. Wie Sie sich sicher vorstellen können, habe ich schon früher Fälle von Höhenangst erlebt ...«
    »Kann ich. Loslassen.«
    Er tat es immer noch nicht. »Ich kenne die Anzeichen, Counselor. Sie sind noch etwa zehn Sekunden von einem hysterischen Anfall entfernt.«
    »Sie sind fünf Sekunden von dem Verlust Ihrer Hand entfernt. Loslassen.«
    Gibb und der Grimassenmann wechselten einen sonderbaren Blick. Ich brauchte keine Psi-Modifikatoren, um festzustellen, dass alle Fragen auf Gibbs Seite der Hängematte gestellt wurden.
    Der selbst ernannte leitende Oberarsch schien nicht so leitend zu sein, wie er gern behauptete. Mir war es recht. Ich war bereit zu glauben, dass der Rest der Beschreibung zutraf. Nach meiner persönlichen Erfahrung ging es Leuten, die einem gleich bei der ersten Begegnung erzählen mussten, wie grässlich sie seien, in erster Linie darum, den anderen unschädlich zu machen, indem sie ihm zuvorkamen.
    Ich weiß es. Ich tue es selbst.
    Gibb ließ mich los und krabbelte einen halben Meter die Leinwand hinauf. »Verzeihen Sie, Andrea. Einige unserer Neuankömmlinge leiden unter starkem Schwindelgefühl. Sie fürchten sich so sehr, hinunterzustürzen, dass sie es geradezu provozieren. Wann immer ich jemanden sehe, der Probleme hat, neige ich dazu, besonders vorsichtig zu sein, bis ich sicher bin, dass wir keine Schwierigkeiten mit ihm bekommen werden.«
    »Solange Sie mich nicht Andrea nennen, haben wir keine Schwierigkeiten.«
    »Oh«, machte er. »Wir gehen hier im Allgemeinen eher ungezwungen miteinander um.«
    »Ich nicht.«
    Wieder wechselten die beiden einen Blick. »Es gibt wirklich keinen Grund zur Aufregung. Wir wissen, dass manche Leute nicht gut mit diesem Ort zurechtkommen. Die meisten brauchen nur ein bisschen Zeit, um sich einzugewöhnen ...«
    »Verstanden. Und ich weiß jede Hilfe bei der Eingewöhnung durchaus zu schätzen. Trotzdem bin ich an Ungezwungenheit nicht interessiert.«
    »Kommen Sie schon. Es gibt keinen Grund, nicht wenigstens so zu tun, als wären wir Freunde ...«
    »Doch, den gibt es, solange ich nicht auf der Suche nach Freunden bin.« Ich sprach weder besonders hitzig noch besonders kühl. »Counselor reicht vollkommen. Und wenn ich Sie nicht Botschafter nennen darf ...«
    Gibb geriet ins Stammeln. »W-wie ich bereits zu erklären versucht habe, erkennen die KIquellen diese Einrichtung nicht als offizielle Botschaft an. Sie haben versprochen, sie würden uns rauswerfen, sollte ich mich dieses Titels bedienen. Sie können mich Stuart nennen, wenn Sie mögen. Oder Stu.«
    »Nein«, sagte ich. »Ich denke, ich werde Sie Mr. Gibb nennen.«
    Der Grimassenmann verdrehte verächtlich die Augen. Doch die Verachtung galt nicht mir, woran ich immerhin gewöhnt gewesen wäre. Die Verachtung galt dem Mann, mit dem er zusammenarbeitete, eine Verachtung, die er offenbar mit mir teilen wollte.
    Interessant. Ich war noch keine zwei Minuten hier, und schon wurde ich in einen Machtkampf hineingezogen.
    Gibbs Augen strahlten Wogen der Wärme und des Mitgefühls aus, hinterließen in meinem Aufrichtigkeitsdetektor jedoch nicht die kleinste Spur. »Habe ich Sie irgendwie gekränkt, Counselor?«
    »Noch nicht, Mr. Gibb. Hätten Sie gern?«
    Wieder schien Gibb
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