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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman
Autoren: Adam-Troy Castro
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konzentrierte sich auf einen Bereich, der beherrscht war von dem Überwuchs knorriger Vegetation, die an der inneren Stationsachse klebte. Die erdrückend dichte untere Atmosphäre bestand aus einer giftigen Suppe schwerer toxischer Gase über einem schlammigen organischen Ozean. Nur in der oberen Atmosphäre in der Nähe des Zentrums gab es eine dünnere Sauerstoff-Stickstoff-Mischung der Art, die jenen Lebensformen angenehm war, welche die KIquellen konstruiert hatten.
    Die Entschlossenheit der KIquellen, sich als Jackentaschengott zu betätigen, erschien mir bestenfalls überspannt, schlimmstenfalls geisteskrank. Und sinnlos pompös außerdem. Die durchschnittliche, von Menschen bewohnte Zylinderwelt ist etwa zehn Kilometer lang und misst zwei Kilometer im Durchmesser, was in meinen Augen eine kompakte, beherrschbare Größe ist, die einen gewissen Sinn für Demut gegenüber Geschehnissen von kosmischem Maßstab zum Ausdruck bringt. Es gibt auch ein paar Kolosse, wie meine Operationsbasis New London, die zehnmal so groß sind. Na gut, wir brauchen eben auch große Städte. Aber dieser Ort, One One One, war noch ungefähr tausendmal länger und fünfzigmal breiter als New London: ziemlich übertrieben für die Unterbringung von ein paar Affen, die sich von Ast zu Ast schwangen und ihr ganzes Leben damit zubrachten, sich an genmanipulierte Kletterpflanzen zu klammern. Eine exakte Definition ungenauer Bedarfsbestimmung.
    Wie auch immer, es war eine auf dem Kopf stehende Hölle.
    Noch während mich der schnittige KIquellen-Transporter in das Habitat verfrachtete, katalogisierte ich im Geiste alles, was ich als störend empfand. Die tief hängenden Gewitterwolken erinnerten an einen mit einer brodelnden braunen Masse gefüllten Kessel, dann und wann von einem plötzlichen Aufflackern von Licht erhellt, wenn sich die gewaltigen Kräfte in ihrem Inneren entluden. Die riesigen geflügelten Dinger, die sich bisweilen über sie erhoben, sahen aus wie Drachen aus einem schlechten Märchen; ihre Flügelspanne betrug an die zwei Kilometer, die Gewalt ihres Flügelschlags brachte in ihrem Fahrwasser ganze Stürme hervor, und ihre von lauten Schreien begleiteten plötzlichen Sturzflüge in die dunklen Wolken hinein erschienen wie Akte räuberischer Epen, deren Opfer Kreaturen waren, wie niemand, der sich in meiner derzeitigen Höhe bewegte, sie je gesehen hatte.
    Man hatte mir versichert, dass die Drachen nie bis zur Höhe des Überwuchses aufstiegen. Außerdem hatte man mir geraten, nicht über sie nachzudenken, da sie mit dem Grund meines Aufenthalts nichts zu tun hatten.
    Wie in diesem alten Witz:
    Denk nicht an den Elefanten.
    (Aber er ist da.)
    Denk nicht an ihn, und er wird verschwinden.
    (Aber er ist da.)
    Du denkst immer noch an ihn.
    Und so weiter.
    Hier und dort zeigten sich die trägen Leiber der Baumbewohner in dem Überwuchs, dessen ausgedehnte graue Oberfläche aus verschlungenen Rankpflanzen bestand und sich über die Welt spannte, so bedrohlich wie ein Hammer, der nur auf eine passende Gelegenheit wartet, um herunterzusausen. Die dicken schwarzen Masten, die etwa alle hundert Kilometer aus dem Überwuchs in die Wolkendecke hineinragten, waren an ihrem scheinbaren Mittelpunkt an den Glutsphären verankert, die One One One als Sonnen dienten, und sahen viel zu schwach aus, um diese funkelnden Fusionskugeln zu halten. Die Glutsphären selbst verbreiteten ein Licht, das grell genug war, um ein purpurnes Nachbild in meine Retinae zu brennen, und es gab so viele von ihnen, dass ich während meines Transports vielfältige konkurrierende Schatten auf den Überwuchs über mir warf.
    Ich betrachtete das alles mit der mir eigenen finsteren Zurückhaltung und war mir vage der Tatsache bewusst, dass ich auf eine alte nervöse Angewohnheit zurückgefallen war, die mich jahrelang geplagt hatte: Einer meiner Zeigefinger zwirbelte unentwegt die einzelne lange schwarze Haarsträhne, die von meiner rechten Kopfseite herunterhing. Da der Rest meines Haars sehr kurz geschnitten ist, behaupteten all die vielen Leute, die mich nicht ausstehen konnten, nur zu gern, ich hätte diese lange Strähne bloß deshalb behalten, um meinem Tick Nahrung zu geben, und aus keinem anderen Grund sonst. Ich weiß, diese Gewohnheit wirkt störend auf Anwesende, also greife ich auf sie zurück, wann immer ich kann. Ich fühlte mich in Gegenwart anderer viel zu unwohl, um zuzulassen, dass sie sich in der meinen wohlfühlten.
    Der Flug wäre vermutlich
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