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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht
Autoren: J.M. Soedher
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bereits ins Hafenbecken entsorgt.«
    Schielins nachdenklichen Lauten entnahm sie, dass ihm ihre Variante erstens neu war und ihm zudem als durchaus realistisch erschien. Sie war mit seiner Reaktion zufrieden und ließ ihn in Ruhe.
    Er versuchte sich auf die Schriftstücke zu konzentrieren, was nur schlecht gelang. »Wir haben unser Pulver, diesen Zuger betreffend, schon verschossen und können nur hoffen, ihn zum Reden zu bewegen. Er muss uns nun etwas sagen, mit dem wir weitermachen können, denn wir haben keine belastbaren Spuren am Tatort. Und die Aussage des Nachtportiers, oje, die könnte jeder halbwegs ausgebuffte Anwalt vor Gericht zerpflücken.«
    Lydia Naber wechselte das Thema. »Diese Britta Drohst kommt später noch zur Dienststelle. Du wolltest unbedingt noch mit ihr reden. Weshalb, worum ist es dir da gegangen?«
    Schielin überlegte. Genau, er wollte mit dieser Britta Drohst reden. Beim letzten Mal waren sie unterbrochen worden. Etwas war ihm in den Sinn gekommen und jetzt fiel es ihm, zwischen all den Dingen, die ihm im Kopf herumgingen, nicht mehr ein. Er legte seinen Kopf in die Hände und verbannte alle Gedanken, sah sich mit Ronsard über grüne Wiesen wandern, es roch nach frischem Gras, Wärme war auf der Haut zu spüren. »Es fällt mir wieder ein, glaube mir, es fällt mir wieder ein.«
    Lydia Naber lachte gehässig.
    Kimmel war am Gang zu hören und sein massiger Körper stand gleich darauf in der Tür. Zugers Anwalt hatte äußerst ungehalten angerufen und bereits am Telefon gedroht, seinen Mandanten nicht länger ohne anwaltliche Begleitung zu befragen. Ein Doktor Hagen, der auf dem Weg sei. Kimmel erwartete ein unangenehmes Zusammentreffen. »Der klang recht giftig, sehr giftig.«
    Lydia Naber sah auf die Uhr. »Dann haben wir noch etwa eine Stunde. Reicht das?«
    Kimmel ergänzte schnell, und nicht ohne Stolz, um eine weitere Information. Er berichtete von seiner Nachfrage bei der Fahndung, wie die Verkehrssituation auf der A7 in Richtung Süden sei. Baustelle vor Aichstetten, hatte die Auskunft gelautet, kein Stau, aber Verzögerungen.
    Schielin entschied, noch zu warten und dann aufs Ganze zu gehen.
    *
    Adrian Zuger hatte zunächst versucht Wenzel in ein Gespräch zu verwickeln, es aber sein lassen, weil von diesem unzugänglichen Kerl nicht eine Regung ausging. Er hing in seinem Stuhl, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und hielt die Augen geschlossen. Adrian Zuger empfand es als ein übellauniges, ja feindseliges Verhalten, das ihm so noch nicht widerfahren war. Der Ärger über Wenzel lenkte ihn eine Weile von den dunklen Gedanken ab, die ihn Umtrieben. Seine Frau Viviane beschäftigte sein Denken. Wie würde es ihr gehen? Wie würde sie reagieren und was hatten diese Polizisten mit ihr gemacht? Saß sie vielleicht nur wenige Meter entfernt, in einem der anderen Zimmer? Dieser Schielin hatte ihn schockiert, mit der abfälligen Weise, in der er über die Geschichte mit dem Geheimdienst sprach. Woher wusste er so viel?
    Er versuchte nicht daran zu denken, wie sein Leben aussehen würde, wenn er diesen kahlen, grausigen Raum verlassen würde. Sobald seine Gedanken an diesen Punkt kamen – wie würde die Zukunft aussehen? – fühlte er sich zwischen diesen schrecklichen Wänden beinahe geborgen und der verdrießliche Typ auf dem Stuhl gegenüber vermittelte nicht Ablehnung, sondern Schutz.
    Es wurde ihm zunehmend unerträglich, alleine mit seinen Gedanken zu sein und er fühlte das starke Bedürfnis zu reden. Ab und an lauschte er nach draußen – dünne Wortfetzen, Schritte, Telefone klingelten –, doch hier war alles leise, als endete an der Tür die Welt. Und wieder war die Frage präsent, was sein würde, jenseits der Tür. Er spürte seinen Körper. Ein fremdes Gefühl. Es zog im Rücken, das rechte Knie schmerzte, ein feiner Kopfschmerz machte sich bemerkbar und nun war der Mund trocken, völlig ausgetrocknet, sodass er leichten Schmerz fühlte beim Schlucken. Sollte er nach einem Glas Wasser fragen? Es stand ihm zu.
    Ein Glas Wasser stand ihm zu. Er sah hinüber zu dem Kerl, der dösend im Stuhl hing. Ein unmögliches Benehmen. Schlief er? Diesem Kerl machte die Tür nichts aus. Er würde sie öffnen, in den Gang treten und nichts wäre für ihn anders. Wer weiß, woran er dachte, aber nicht eine Sekunde würde er mit dieser erbärmlichen, hässlichen Tür vergeuden, doch er – Adrian Zuger – saß starr, mit trockenem Mund, seinen Körper spürend, und blickte zu
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