Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
Autoren: Maria Sveland
Vom Netzwerk:
Nachmittag, bis zum Abendessen. Maud und Lovisa tauschten zufriedene Blicke und lächelten.
    »Wie schön, dass du ausnahmsweise mal fröhlich bist, Julia!«
    Julia lächelte und nahm noch eine Portion Wurstgulasch. Maud nickte aufmunternd über ihren Appetit.
    Sussie und Nora schauten sie fragend an, sie wussten nicht, was sie von ihrer Genügsamkeit halten sollten. Tess aß schweigend und mit hängendem Kopf, Ronny machte Scherze und bettelte um den Nachtisch, den sie bekommen sollten, obwohl nicht Freitag war. Schokoladenpudding mit Schlagsahne wartete in Portionsschüsseln im Kühlschrank.
    Nach dem Essen half Julia Ronny und Lovisa, obwohl sie keinen Küchendienst hatte. Sussie und Nora verschwanden nach oben in ihren Zimmern, Tess saß zusammen mit Maud auf dem Sofa vor dem Fernseher. Lovisa machte Kaffee und brachte die Thermoskanne ins Wohnzimmer.
    »Der Fernsehkaffee, genau, was ich gebraucht habe!«, sagte Maud lachend. »Ich bin nach dem Essen immer so müde.«
    Lovisa schenkte sich Kaffee ein.
    »Ich auch. Essenskoma.«
    Julia lächelte alle an und blieb den ganzen Abend vor dem Fernseher sitzen. Bis zu den Nachrichten um neun. Ein letztes Mal wollte sie noch die Welt sehen.
    Der Nachrichtensprecher war ein Mann mit mausgrauen Haaren und grauen Augen, die ausdruckslos in die Kamera starrten, als er von einer Hungerkatastrophe in Afrika und dem mutmaßlichen Mörder von Olof Palme, Christer Pettersson, berichtete.
    Plötzlich unterbrach Tess das Geplauder und erklärte mit lauter Stimme.
    »Alles geht zum Teufel!«
    Die anderen starrten sie erstaunt an.
    »Wie meinst du das?«
    Tess zeigte auf den Fernseher.
    »Die ganze Scheiße! Man muss doch nur zuschauen und zuhören, dann weiß man, dass alles zum Teufel geht!«
    »Na ja, Tess, beruhige dich. Ich kann verstehen, dass es einen manchmal runterzieht, wenn man die Nachrichten sieht, aber das Leben ist so viel mehr als das im Fernsehen!«
    Lovisas Stimme hatte etwas Warnendes, Maud nickte zustimmend und fuhr fort.
    »Genau, in den Nachrichten zeigen sie ja nie, dass die ganze Zeit auch Schönes passiert. Kinder werden geboren, Menschen heiraten.«
    Tess grinste bösartig, ihre Stimme war triumphierend.
    »Und Kinder sterben und Leute lassen sich scheiden!«
    Maud lächelte nachsichtig.
    »Na ja, es kommt halt darauf an, wie man das Ganze betrachtet.«
    Julia lächelte in stillem Einverständnis mit Tess, sie schaute auf den Fernseher, wo der Nachrichtensprecher mit blicklosen Augen zurückstarrte.
    Tess hatte offenbar genug vom Elend der Welt, sie stand resolut auf und ging mit schweren Schritten aus dem Wohnzimmer die Treppe hinauf.
    »Schlaf gut, Tess!«, rief Lovisa ihr hinterher.
    Tess antwortete nicht.
    Auf die Nachrichten folgte der Wetterbericht. Zwei Grad minus und bewölkt. Vielleicht leichter Schneefall am Abend.
    Julia stand auf.
    »Ich gehe jetzt auch schlafen.«
    Sie schauten sie an, Maud mit ihren warmen braunen Augen und Lovisa mit ihren klugen blauen. Lovisa beugte sich vor und nahm ihre Hand.
    »Schlaf gut, Julia! Weck uns, wenn du nicht schlafen kannst!«
    Julia lächelte und nickte.
    »Versprochen?«
    »Versprochen!«
    »Gute Nacht, Ronny!«
    Ronny schaute vom Fernsehen auf und nickte.
    »Gute Nacht!«
    Sie drehte sich um und ging mit leichten Schritten die Treppe hinauf in ihr Zimmer.
    Vor dem Fenster leuchtete eine golden glänzende Mondsichel, die Sterne blinkten aufgeregt.
    Der Große Bär und der Kleine.
    Und all die anderen, die immer da oben am Himmel waren und alles sahen und hörten und nicht eingriffen.

Ich bin Julia
    ich war hier
    mitten unter euch
    und vielleicht hätte ich länger bleiben sollen
    aber das Leben ist wie ein Hufeisen
    an beiden Enden offen und durch und durch hart.

Dort war er, der Baum. Ihr Baum.
    Sie wusste nicht richtig, wie sie hingekommen war, die Füße liefen von alleine. Erst planlos durch den Park, vorbei an der Schule, dann zum Nebel . Ihr Kopf war leer, bis auf das Bild von Julia und ihr, wie sie auf ihrem Ast saßen. Das Bild weigerte sich, ihren müden Kopf zu verlassen. Es kam ihr vor, als sei es so unendlich lange her, dass sie dort gesessen hatten, durch das Blattwerk vor der Welt geschützt. Eine Ewigkeit, seit sie den Rhabarbermann auf der Lichtung gesehen hatten.
    Ihr Herz schlug aufgeregt, als sie bei der Kreuzung war, die den Wald von der übrigen Welt trennte. Die Trennlinie zwischen der Welt, die sie zu kennen glaubte, und dem gesetzlosen Niemandsland Wald.
    Ein durchsichtiger Faden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher