Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
Autoren: Maria Sveland
Vom Netzwerk:
würde.
    »Versprich mir, dass du mich weckst, wenn du wieder nicht einschlafen kannst?«
    Das Flehen in ihrer Stimme war aufrichtig, die Sorge ebenfalls. Und wieder stach das schlechte Gewissen zu, als sie mit halb geschlossenen Augen log.
    »Ich verspreche es.«
    Maud verließ lächelnd das Zimmer. Ein paar Sekunden lang war das ganze Haus still, aber dann hörte sie die Stimmen von der Decke, die Gesichter balgten um den Platz. Das Rauschen erfüllte ihren Kopf, genau wie die Kopfschmerzen, die kurz darauf kamen. Die Münder bewegten sich in einem unaufhörlichen Geplapper, aber sie konnte die einzelnen Wörter nicht verstehen. Sie starrte sie fasziniert an, beinahe beruhigte sie das Wissen, dass sie nicht verschwinden würden, und auch, dass sie nicht schlafen würde. Vom Flur konnte sie hören, wie alle nacheinander sich fertig machten und ins Bett gingen. Dann war das ganze Haus still.
    Die Stunden vergingen vor ihren weit aufgerissenen Augen, das Brausen und die Stille wechselten sich ab. Bis die Gesichter an der Decke plötzlich die Augen schlossen und die Münder zukniffen. Wie auf Kommando. So hatte sie sie noch nie gesehen. Plötzlich verstand sie, warum sie schwiegen und die Augen schlossen. Sie hatten die Schritte gehört, bevor sie selbst sie hörte. Deshalb. Die Bodendielen vor ihrem Zimmer knarrten, bis sie ihre Tür erreichten. Die Kälte fuhr von den Zehen durch den Rücken bis in den Nacken, sie bekam Gänsehaut. Sie konnte nicht aufhören, an die Decke zu starren, obwohl sie es am liebsten gemacht hätte wie die Gesichter an der Decke, Augen und Mund zu. Langsam bewegte sich die Türklinke und eine schwarze Gestalt mit einer Kapuze, die das Gesicht verdeckte, stand in der Türöffnung, kam dann zu ihrem Bett. Sie schrie nicht, sie schloss nicht die Augen, sie blieb nur unbeweglich liegen, während der Mann näher kam.
    Sie schaute an die Decke, damit sie seine Fliegenschisspupillen und seine gelbbraunen Zähne nicht sehen musste. Die Gesichter hatten immer noch Augen und Mund geschlossen. Fest geschlossen, damit sie nichts sehen mussten. Und doch wusste sie, dass sie alles sahen und hörten, was unter ihrem unseligen Sternenhimmel geschah.

»Wir gehen raus, eine rauchen. Kommst du mit?«
    Sussie wedelte mit einer Schachtel Marlboro vor ihrem Gesicht, ein bisschen zu nahe, fast bedrohlich. Ihre Nägel waren heruntergekaut. Reste von abgeblättertem neonrosa Nagellack bildeten zackige Ovale, der starke Geruch nach einem billigen, süßen Parfüm umgab sie wie eine Wolke. Sussies Stimme war hart, die Frage war eigentlich ein Befehl. Sie wusste es, und Sussie wusste, dass Julia es wusste. Nora stand schweigend hinter ihr und blockierte den Durchgang zum Aufenthaltsraum, wo Lovisa mit Ronny und Tess vor dem Fernseher saß. Sie hatten gerade gegessen, Fleischklößchen mit Nudeln und einem obligatorischen Salat, den nur die Erwachsenen aßen.
    Julia machte keinerlei Anstalten, sich zu bewegen oder zu antworten, Sussie packte sie resolut am Arm und schob sie auf die Veranda, Nora schloss die Tür hinter ihnen, sie standen also ungestört im Schein der gelblichen Lampe.
    Sussie zündete sich eine Zigarette an, machte einen tiefen Zug und hielt Nora die Schachtel hin. Julia boten sie keine an, sie wussten, dass sie nicht rauchte.
    Sussie wuschelte durch ihre lange blonde Dauerwelle. Die Locken waren ganz steif von zu viel Haarschaum und Spray, die Haare sahen aus wie nass.
    »Morgen triffst du dich in der Mittagspause mit Dante an der Gedenkstätte auf dem Friedhof.«
    Sussie schaute ihr starr in die Augen, wartete auf eine Reaktion, einen eventuellen Widerstand, und als Julia nicht antwortete, gab sie ihr einen unsanften Knuff.
    Nora schaute zu Boden. Sie hat auch Angst vor Sussie.
    »Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
    Die Stimme klang ausgesprochen ärgerlich. Julia nickte leicht, und Sussie grinste schief.
    »Gut. Er wird dir was geben, das ist für uns alle drei. Versteck es gut in der Jacke oder so.«
    Julia schaute in den Garten, wo jemand einen Schneemann gebaut hatte. Eine mühsame Arbeit, der frisch gefallene Schnee war nass und schwer, der Schneemann war voller Gras und Erde. Es war schon Ende März, das war vielleicht der letzte Schnee vor dem Frühling.
    Der Schneemann sah bescheuert aus, schief und schmutzig, mit traurigen Augen. Sogar die Karotte, die die Nase bildete, hatte braune Flecke.
    Hier vermodert alles.
    Die Haustür ging auf, Lovisa schaute sie fragend an.
    »Friert ihr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher