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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
Autoren: Maria Sveland
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umkippte. Der Ausbruch war so heftig und so unerwartet, dass Julia und Lovisa zusammenzuckten.
    »Lass mich los, du verdammte Hure!«
    »Okay, aber dann verlass die Küche. Auf der Stelle!«
    Tess lachte nicht mehr, sie ging schlurfend und mit gebeugtem Rücken hinaus. Lovisa setzte sich wieder.
    »Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Sie ist sonst nicht so, hoffentlich kannst du es entschuldigen?«
    Julia nickte.
    »Schon okay.«
    Lovisa führte nachdenklich die Teetasse zum Mund und blies, ehe sie einen Schluck trank.
    »Du, ist ganz bestimmt nichts vorgefallen? Also zwischen euch Mädchen oder so, etwas, wovon wir nichts wissen?«
    Julia schüttelte den Kopf.
    »Nein. Nichts.«
    Lovisa schaute sie fragend an, ein paar Sekunden schwiegen sie beide.
    »Du würdest es uns doch erzählen, oder?«
    Julia versuchte, glaubwürdig auszusehen.
    »Klar.«
    »Gut.«
    Aus dem Wohnzimmer hörte man, dass Ronny den Fernseher abschaltete. Er kam in die Küche und setzte sich an den Tisch.
    »Darf man sich was nehmen?«
    Lovisa lächelte ihn an.
    »Na klar, der ist für alle. Bitte schön!«
    Ronny schnitt eine dicke Scheibe Kuchen ab und mampfte ihn gierig in zwei Bissen, dann schnitt er gleich noch eine Scheibe ab. Julia sah ihre Möglichkeit und gähnte geräuschvoll.
    »Ist es okay, wenn ich jetzt ins Bett gehe? Ich bin so müde.«
    Lovisa lächelte und streichelte ihre Hand.
    »Natürlich, Liebes, du brauchst nicht um Erlaubnis zu fragen.«
    Julia lächelte angestrengt und verließ die Küche. Als sie bei der Treppe war, rief Lovisa ihr hinterher.
    »Wie schön, dass deine Schlafprobleme vorbei sind!«
    Julia drehte sich um nickte.

Er wartete auf der Bank an der Gedenkstätte. Er saß mit dem Rücken zu ihr und rauchte, er schaute zu den Schienen, die an der Nordseite des Friedhofs entlangführten. Es schien ihm nichts auszumachen, dass die feuchte Kälte durch den Jackenstoff drang.
    Je näher sie kam, desto schwieriger war es, die Gedanken zu fokussieren. Der zähflüssige Schleim wuchs und füllte ihr Gehirn. Irgendwo wusste sie, dass sie natürlich Nein sagen konnte, ja, geradezu Nein sagen musste. Die ganze Situation war eigentlich absurd. Das war nicht sie. Durfte nicht sie sein, die so schlafwandlerisch weiterging, ohne stehen zu bleiben oder auch nur zu zögern.
    Sussie und Nora waren mit ihr bis ans Tor des Schulhofs gegangen.
    »Und vergiss nicht, die Sachen in der Jacke zu verstecken!«, hatte Sussie gefaucht, und Julia konnte nur noch denken, dass die dicke Schicht rosa glitzernder Lipgloss sie blendete. Er roch nach künstlichem Erdbeeraroma, ein süßlicher Geruch, wie alle Produkte, die Sussie für ihren Körper benutzte.
    Hier und jetzt hätte sie Nein sagen können. Aber sie hatte keine Kraft, Widerstand zu leisten. Der Matsch im Gehirn verwirrte sie und machte Gedanken und Körper träge. Jeder Tag verwandelte sie ein Stück mehr. Ein lebendiger Schleimklumpen. Mit Beinen und Armen, die nur unter größter Anstrengung gehorchten.
    Sie blieb ein paar Meter von der Bank entfernt stehen, konnte sich nicht überwinden, die letzten Schritte zu gehen. Er drehte sich nicht um, rauchte nur ungerührt weiter und blickte zum Horizont.
    Die Stimme schnitt unerwartet durch die Stille des Friedhofs. Kratzig und durchdringend.
    »Wie geht es uns denn heute?«
    Julia konnte nichts dafür, sie zuckte zusammen. Die Beine zitterten, die körperliche Warnung.
    Als sie nicht antwortete, drehte er sich langsam um und schaute sie mit einem unergründlichen Blick an. Ein kleines Lächeln spielte im Mundwinkel.
    »Komm her!«
    Der Körper gehorchte automatisch, sie ging die letzten Schritte und blieb vor ihm stehen. Er zog sie auf seinen Schoß, sie fiel schwer und stieß sich das Schienbein an der Parkbank an. Er schob seine Hand unter ihre Jacke, unter den Pullover und kniff ihr in die Brustwarzen. Seine Hand war eiskalt, und sie schauderte. Da lächelte er noch breiter und beugte sich vor, um sie zu küssen. Sein Mund war offen, und der faulige Atem umgab sie mit seinem erstickenden Gestank. Sie versuchte, die Übelkeit zurückzuhalten, die aus dem Magen aufstieg. Sein Mund wollte sie auffressen, sie mit Haut und Haar verschlingen. Zuerst musste er sie mit seinem Atem vergiften. Er war so giftig, dass man ihn fast sehen konnte, etwas brauner als die Luft.
    Plötzlich zerrte er sie auf die Füße. Hart und siegessicher packte er sie am Arm und zog sie hinter sich her, zum Gebüsch. Dahinter war ein Wall, der gegen den
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