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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
Autoren: Torsten Sträter
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seines Gesichts mit meinem metallbeschlagenen Stiefel in Ödland verwandelt: Franco sah aus wie eine Requisite aus einem Frühwerk von Peter Jackson.
    Ich beugte mich über ihn . – E r sah auch sehr tot aus.
    So stand ich schwankend da; den Stuhl wie bei einem bizarren Partyspiel mit Klebeband an meinem Rücken befestigt, bucke l te ich über Francos zerstörtem Gesicht und versuchte , Luft einzusaugen, die für ein ganzes Leben reichen musste – ich hyperventilierte.
     
    Ich zwang mich, kontrolliert zu atmen . E in und aus, schön langsam. Es dauerte einige Minuten, bis meine Lungen bega n nen, so normal zu arbeiten, wie es als auferstandener Beinah e zombie mit am Hintern festgeklebten Bürostuhl möglich war.
    Den Stuhl scheuerte ich mir in Rekordzeit vom Rücken; eine gemauerte Ecke in der Nähe der Waschbürsten war rau genug, das Klebeband zu durchtrennen – und ich war fleißig, was das anging !
    Der Boss k o nnte zurückkommen.
    Mein linker Oberschenkel brannte; unter dem Loch in meiner Jeans, wo Franco seine Nadel in mich gestochen hatte, war ein dunkler Fleck.
    Das musste bis später warten.
    Ich blickte mich in der Halle um.
    Dann fand ich etwas, d as ich gebrauchen konnte.
     
    Als ich an der Tür des kleinen Raumes lauschte, der eigentlich das private Videozimmer der Geschäftsleitung einer todbri n genden Firma war, hörte ich ein leises, aber konstantes Schna r chen.
    Ich war unentschlossen, ob ich lautlos die Klinke drücken oder brachial den Raum stürmen sollte.
    Ich entschied mich für Variante Eins.
    Meine Hand zitterte, als ich die Tür vorsichtig Millimeter um Millimeter öffnete.
    Der Grauhaarige war eingenickt; auf dem Tischchen links von ihm hatte sich ein stattliches Bataillon von Desperados-Flaschen angesammelt. Leergut.
    Ich musste an die unglücklichen, dampfgestra hlten Leute in der Halle denken: Buchstäblich bis zur Neige verbraucht und ei n fach hingestellt.
    Der Mann hing in einer derart unbequemen Position in seinem Stuhl, das s er sehr müde – oder sehr betrunken – gewesen sein musste, um so einzuschlafen.
    Mein Mitbringsel aus der Halle der Untoten hielt ich noch i m mer in der Faust: eine Rolle schieferfarbene n , reißfeste n Texti l klebeband es .
    Ich hatte ihn ziemlich schnell mit dem Stuhl verklebt , allerdings war durchscheuern diesmal nicht möglich, denn ich hatte die vollständige Rolle verbraucht, ohne das s der Mann erwacht war.
    Das hatte ihm sogar einen besseren Halt auf dem Stuhl ve r schafft, obwohl ich bezweifelte, dass er das zu schätzen wissen würde, wenn er erwachte.
    Er sah aus, wie sich ein Ikea-Designer wahrscheinlich den M i notaurus, den mystischen Mix aus Mensch und Stier, vorstellen würde, wenn er zuviel getrunken hätte: Mr. Tremonia, der u n heimliche Stuhlmann.
    Ich weckte ihn.
    Es dauerte eine Weile, bis er bemerkte, wo er war, wer da vor ihm stand – und vor allem, was Sache war.
    »Na ? «, sagte ich. Wir hatten alle Zeit der Welt. Die Nacht war mein Kumpel.
    Er versuchte , aufzustehen, und einen schrecklichen Moment lang dachte ich, er würde das Panzerband einfach absprengen wie der unfassbare Hulk – aber es hielt natürlich.
    Sein Gesicht war dunkelrot.
    »Du hast ne Menge Probleme, Freundchen«, sagte er, bemüht, noch immer den Boss rauszukehren.
    Es war eine harte Nacht für mich gewesen, turbulent und schmerzhaft, also gönnte ich mir was: I ch schlug ihm ins G e sicht.
    Sein Kopf flog nicht zur Seite wie in einem Film mit John Wayne; das war schlecht möglich, da auch sein Hals an der Kopfstütze fixiert war.
    »So. Zeit für Smalltalk«, sinnierte ich, wobei ich zur Küchenze i le schlenderte.
    »Du wirst d ir wünschen, meine Tankstelle nie betreten zu h a ben«, blaffte er, während er versuchte, den Kopf zu drehen, um mir mit seinem Blick zu folgen. Es schien ihn ausgesprochen nervös zu machen, mich nicht sehen zu können.
    »Es tut mir jetzt schon leid«, sagte ich, »aber das werden wir jetzt alles wieder gerade rücken. Alles wird gut.« Ich musste kichern.
    Ich zog eine der Schubladen auf und fand was ich suchte. Der Griff war vierfach genietet, die Klinge leicht gebogen, an der Schneide schillernd. Made in Solingen stand darauf.
    Wer hätte gedacht, das s in diesem Loch ein derar tig gutes Me s ser zu finden war?
    »Ich werde d ir Leute auf den Hals hetzen, die d ich foltern, d u kleine Ratte. Die quälen dich für ’ nen Zwanziger! Für ’ nen ZEHNER!«
    »Na klar doch.«
    Ich hockte mich vor ihm hin. Seine
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