Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
Autoren: Torsten Sträter
Vom Netzwerk:
Hand und presste meine untere Gesichtshälfte zusammen, wobei er das kleine Fläsc h chen geschickt zwischen dem kleinen und dem Ringfinger hielt. Es tat verdammt weh, aber ich war zäh, obwohl mir die Tränen kamen. Mit der anderen Hand hielt er mir plötzlich und schmerzhaft die Nase zu. Keine Luft mehr.
    Spiel, Satz und Sieg: Ich öffnete den Mund.
    Er schüttete mit einer flinken Bewegung den Inhalt der Flasche in mich hinein, hielt mir sofort darauf den Mund zu und läche l te.
    »Schluck ! «
    Meine Zunge wurde augenblicklich taub . N icht wie bei einer örtlichen Betäubung, sondern in einer Dimension, die so inte n siv war, wie ich mir das S terben vorstellte.
    Dann spürte ich Kälte in meinem Rachen, als würde ich vers u chen, einen Eiszapfen runter zu würgen, gefolgt von einer Taubheit, welche noch umfassender war.
    Schließlich fühlte ich die Kälte in meinem Kopf; sie füllte ihn aus wie ein tödliches, fremdes Schneegestöber.
    Ich konnte Franco nur noch wie in einem absurden Film wahrnehmen, fokussiert auf wenige Zentimeter vor meinem Gesicht, und doch merkwürdig fern und verwaschen.
    Mein Körper fühlte sich bleiern an, tonnenschwer.
    »So«, nickte Franco, während er mich prüfend beobachtete. Dann kniete er sich mit dem Rücken zu mir auf den Boden und begann zu beten. »Dir, Papa Legba, widme ich diese G a ben. Dir, Damballa, diesen Leib.«
    Dan ach wurde er zu leise. Ich schnappte noch einige merkwü r dige Worte wie »Ghedes«, »Zobob« und immer wieder »Papa Legba« und »Damballa« auf, aber mein Denken konnte diese Begriffe weder ordnen noch deuten. Seine Worte durchdrangen mich . I ch war erstaunt, ihn hören zu können, obwohl es mich große Mühe kostete, mich zu konzentrieren. Meine Sicht war eingeschränkt, als hätte man mir Salbe in die Augen geschmiert, aber es war nicht unangenehm. Keine Ahnung, ob die Zeit raste oder kroch. Ich fühlte mich wohl, wenn ich mich recht erinnere.
     
    Irgendwann allerdings fühlte ich plötzlich einen mir bekannten Schmerz in meinem Innern: Sodbrennen, das sich wie ein Re p til durch meine Speiseröhre nach oben wand. Meine Sicht ve r besserte sich, und der Sog der Worte, die der kniende Priester sprach, ließ nach.
    Mehr und mehr.
    Meine Magensäure versus Francos Trank, wie es aussah.
    Was immer er mir verabreicht hatte, schien nicht zu wirken . Z umindest nicht so, wie es sollte.
    Bewegen konnte ich mich allerdings nicht. Ich kam auch nicht auf den Gedanken , es zu versuchen. Meine Empfindungen waren auf wenige, primitive Funktionen eingeschränkt.
    Franco erhob sich irgendwann und nahm die Nadel. Ohne ein Wort stieß er sie tief in mein Bein.
    Der Schmerz war erstaunlich ! N ie hätte ich gedacht, dass Schmerzen diesen Umfangs, dieser absoluten Empfindungsfü l le existieren.
    Ich wollte schreien, aber mein Körper nicht.
    Die Nadel mit dem Schlangenhaupt steckte in meinem Bein wie ein brennendes Schwert, eine rostige Axt, wie der Tod selbst. Geschmiedeter Stahl , dreißig Zentimeter, die mir vo r kamen wie ein Zaunpfahl.
    Ich werde diesen Schmerz nie mehr vergessen.
    Aber ich konnte denken.
    Ich konnte fühlen.
    »Gut«, befand Franco, wohl zufrieden über meine Reaktion, die keine war.
    Zu keiner Bewegung fähig, betrachtete ich den stählernen Fremdkörper, der aus meinem Oberschenkel ragte.
    Er zog die Nadel heraus. Sie war blutig.
    Franco runzelte die Stirn.
    Meine Beine begannen zu kribbeln.
    Meine Finger wurden warm, als würde man einen Fön auf sie richten. Dann spürte ich, wie die Taubheit meiner Zunge nac h ließ , und schrie vor Schmerz.
    Franco schaute schockiert auf . I n der Sekunde, bevor mein massiver Biker-Stiefel ihn im Gesicht traf und ein Geräusch produzierte, als würde man in einen Eimer Legosteine treten. Mein Bein zuckte nach . I ch erinnere mich nicht an eine b e wusste Bewegung, aber es sichelte wie ferngesteuert in Francos Richtung und traf ihn mehrmals.
    Soviel Blut.
    Adrenalin durchraste mich, was ein leichtes Schwindelgefühl und starkes Herzklopfen auslöste, aber lebendiger ha tt e ich mich nie gefühlt.
    Franco stürzte nach hinten und begrub den Kugelfisch unter sich.
    Ich trat nochmals gegen seinen Kopf.
    Mein Atem ging pfeifend, als wäre nie und nimmer genug Luft im Raum. Ich richtete mich auf, spürte ein rasendes Kribbeln im ganzen Körper.
    Francos Atem platzte in blutigen Bläschen vor seinen Lippen, dann lag er still. Seine Nase war deformiert, als wäre sie aus Knetgummi. Ich hatte große Teile
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher