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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
Autoren: Torsten Sträter
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irgendwelche Schluckgeräusche vernommen, wenn er die Flasche an den Hals gesetzt hatte.
    Weil er zu weit weg gewesen war …
     
    »Buh ! «, sagte er in mein linkes Ohr.
    Ich roch den Alkohol in seinem Atem, als ich den Kopf drehte, um ihm ins Gesicht zu sehen, das sehr dicht vor meinem war , und grinste.
    Mir wurde heiß vor Panik, und dieses kindische Gefühl des » E rwischt w erdens« schwappte über mir zusammen – allerdings mit dem kalten Beigeschmack echter Gefahr.
    »Wu ss te ich es doch.«
    »Ja«, erwiderte ich geistreich.
    Der Tankstellenmann ergriff meinen Arm und krallte seine Finger hinein.
    »Auf dem Monitor warst d u nicht. Da blieb nicht viel übrig, oder?«
    Er zerrte mich in die Mitte der Halle; Franco sah mich, verzog aber keine Miene.
    »Der hier«, sagte der Grauhaarige, und stieß mir den Hals der Flasche ins Kreuz, »ist geeignet. Und d u wolltest doch so gern für mich arbeiten – oder?»
    Kein Stück, d u Arschloch! , wollte ich sagen, beschränkte mich aber darauf, ihn anzusehen, ohne, wie ich hoffte, allzu ängstlich zu wirken.
    Aber ich war ängstlich.
    »Der ist betrunken«, sagte Franco ohne die Spur eines Vo r wurfs. Es war eine Feststellung.
    »Weißt d u was? So bringt das nichts«, sagte der Grauhaarige, der hinter mich getreten war.
    Ich wollte soeben zustimmen, als mich ein harter Schlag traf, der mich heftig auf meine Zunge beißen und Tausende flirre n de r und explodierende r Sonnensysteme erscheinen ließ.
    Dann gingen bei mir die Lichter aus.
     
    Ich erwachte, bekam aber die Augen nicht auf.
    Dieses Phänomen war mir natürlich bekannt, aber der Schlag den ich erhalten hatte, war in der Lage gewesen, meinem Kop f schmerz eine völlig neue Qualität zu verleihen.
    Es war nicht ganz wie sonst. Keine zudringlichen Avancen eines Jack - Daniels-Katers; ich hatte eher das Gefühl, in einer Betonmischmaschine übernachtet zu haben.
    »Wie fühlst du dich?«
    Das war Doktor Franco.
    Ich öffnete die Augen zu schmalen Schlitzen, und das Licht der Halle schoss wie bösartiger Laser in mein Hirn.
    »Wie die Fußmatte in einem Taxi«, antwortete ich.
    »Oh. Wie nett. Er ist wach«, vernahm ich die kratzige Stimme, die nun wieder klang, als würde sie Fahrchips an der Raupe einer Kirmes verscheuern.
    Mr. Tankstellenboss.
    Die nächste Fahrt geht wieder rückwärts, dachte ich beno m men.
    Ich bewegte den Kopf; meine Halswirbel protestierten.
    Man hatte mich auf einem Bürostuhl festgebunden, den ich vorher in der Halle nicht gesehen hatte. Wenn einer der beiden ihn geholt hatte, um mich dann zu verzurren, war ich auf jeden Fall einige Minuten bewusstlos gewesen.
    »Was passiert jetzt?«, fragte ich.
    »Franco wird d ich jetzt zu einem vorbildlichen Mitarbeiter m a chen.«
    Mir dämmerte, das s damit kein Kurs in Rhetorik und Ware n kunde gemeint war.
    »Besser, wir machen erst mal die anderen reisefertig«, sagte Franco. »Er läuft uns nicht weg.«
    Er spazierte zum Dampfstrahler und schaltete ihn ein. Sofort füllte das Brummen des Kompressors den Raum. Dann ergriff er die Sprühvorrichtung, die so lang und bedrohlich wie ein Gewehr war, und presste spielerisch den Abzug. Ein drache n artiges Fauchen entwich der Spitze des Gerätes, und ich spürte selbst auf fünf Meter Entfernung einen feinen Wassernebel in meinem Gesicht.
    »Mehr Druck, Franco«, sagte der Chef.
    Ein weiterer Hebel wurde umgelegt und das Brummen schwoll an.
    Dann richtete Franco ungerührt den scharfen, gefächerten Strahl auf die an der Wand stehenden Männer.
    Deren Fleisch dellte sich ein, sobald das Wasser mit ihrer Haut in Berührung kam. Der Druck musste mörderisch sein. Als er das Gesicht des Mannes ganz links streifte, war ein Knacken zu hören, als zerbräche man einen Bleistift , und seine Nase ve r formte sich absurd. Aber es kam kein Blut.
     
    Wenige Minuten später war Franco fertig. Die Männer standen regungslos an den Wänden, tropfnass, die Haut krankhaft vom Druck des Dampfstrahlers gerötet. Ich hatte noch nie etwas derartig B rutales gesehen. Franco, der merkwürdige Priester, hatte die starr verharrenden, ehemaligen – oder für nicht geei g net befundenen – Mitarbeiter der Tankstelle gereinigt wie Ga r tenmöbel.
    Er hatte dabei gelächelt.
    Der Chef hatte sich zwischenzeitlich Arbeitshandschuhe übe r gezogen. Unter seinem Arm klemmte eine Rolle schwarzer Mülltüten.
    Er riss methodisch einige Säcke von der Rolle und begann, sie den gewaschenen Nackten über die Köpfe zu ziehen.
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