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Hades

Hades

Titel: Hades
Autoren: Alexandra Adornetto
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ich hätte sagen wollen, aber ich zwang mich zu schweigen. Tief in meinem Kopf hörte ich eine Stimme. Was, wenn sie nicht kommen?
    Die Minuten verstrichen, eine nach der anderen. Es wurde immer deutlicher: Sie würden nicht kommen. Alles, was mir noch blieb, war, Zeit zu schinden.
    Ich streckte die Hand aus und strich sanft über Jakes Brust. Er stöhnte leise auf und drückte mich fester an sich.
    «Ich bin nervös», flüsterte ich und versuchte dabei, so unschuldig zu klingen wie möglich. «Ich habe so etwas noch nie gemacht.»
    «Weil du bisher mit einem Amateur zusammen warst», sagte Jake. «Keine Sorge, du bist bei mir in besten Händen.»
    Jetzt fiel mir nichts mehr ein, um das Unvermeidbare noch länger herauszuzögern. Xavier und meine Familie waren nicht zu sehen. Es war zu spät, ich konnte nichts mehr tun. Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und ergab mich in mein Schicksal.
    «Ich bin bereit», sagte ich.
    «Du ahnst nicht, wie lange ich schon bereit bin», sagte Jake rau und ließ seine Hand meine Schenkel hinaufgleiten.
    In diesem Moment erklang ein Geräusch, ein tiefes Grollen. Es kam aus den Tiefen der Höhle und wurde von den Wänden zurückgeworfen. Es klang, als würde der Fels in zwei Teile gebrochen werden. Jake richtete sich alarmiert auf und scannte mit seinen dunklen Augen den Raum. Würde die Decke über uns einstürzen? Oder würde ich bald etwas anderes hören, etwas Beruhigendes?
    Plötzlich riss die Wand am anderen Ende der Höhle auf, und ein Hagel aus Steinen und Schmutz ergoss sich über uns. Jake fluchte laut auf. Dann flog ein 1956er Chevrolet Bel Air Cabrio durch das Loch. Es schien wie in Zeitlupe in der Luft zu stehen, bevor es einige Meter von uns entfernt mit einem Donnerschlag zum Stehen kam. Das Auto war lang und schnittig, genau wie ich es in Erinnerung hatte. Die Frontscheinwerfer leuchteten, und der himmelblaue Lack war von dem Sprung, den es gerade hinter sich hatte, verkratzt.
    «Xavier?», keuchte ich.
    Die Windschutzscheibe war mit Staub bedeckt, doch eine Sekunde später wurde die Fahrertür aufgerissen, und eine vertraute Gestalt stieg aus. Er sah genauso aus wie immer, groß und breitschultrig mit Augen wie flüssige Tinte. Die honigfarbenen Haarsträhnen, die ihm in die Stirn fielen, hatten den vertrauten goldenen Schimmer, und um seinen Hals hing das Kreuz, das in der Finsternis glitzerte. Hinter ihm tauchten Ivy und Gabriel auf. Hier, in der dunklen Höhle, wirkten sie wie Säulen aus Gold. Drohend starrten sie Jake mit ihren stahlgrauen Augen an. Wind kam auf und ließ ihr goldenes Haar auffliegen. Es dauerte einen Moment, bis ich sah, dass ihre Flügel sich entfaltet hatten, wie immer, wenn ein Konflikt bevorstand. Sie vibrierten hinter ihren Rücken wie die Flügel eines Adlers und warfen meterhohe Schatten an die steinernen Wände. Doch auch wenn sie so stark und majestätisch wirkten wie immer, spürte ich, dass dieser Ort sie schwächte. Sie gehörten nicht hierher, und bald schon würden ihre Kräfte schwinden. Michael war nicht zu sehen, vermutlich war er gegangen, nachdem er das Portal geöffnet hatte. Sein Schwert aber lag glänzend in Gabriels Hand. Auch Molly war nicht dabei, offensichtlich hatten die anderen sie in Alabama zurückgelassen – dieser Teil der Mission wäre für sie zu gefährlich gewesen.
    Als Xavier mich sah, schien jede Anspannung von ihm abzufallen. Erleichtert schritt er auf mich zu und streckte mir die Arme entgegen. Doch mitten in der Bewegung hielt er inne, und sein Blick wanderte über das Bett, die Blumen, die zerwühlten Decken und schließlich mich, unbekleidet, wie ich war. Wir sahen uns in die Augen, und der Schmerz, den ich in den seinen sah, wirkte auf mich, als hätte mir jemand einen Schlag ins Gesicht verpasst. Zuerst wirkte Xavier verwirrt, dann wütend und dann einfach nur leer, als ob die Achterbahn der Gefühle einfach zu überwältigend für ihn war, um damit klarzukommen.
    Jake war es schließlich, der die Stille brach.
    «Nein!» Er packte mich so fest, dass ich vor Schmerz aufschrie.
    Sofort löste sich Xaviers Starre. «Nimm deine dreckigen Hände von ihr», drohte er und machte einen Schritt auf uns zu. Doch im selben Moment standen Ivy und Gabriel an seiner Seite und hielten ihn zurück. Jake starrte sie an wie ein wildes Tier, mit Wut und Panik in den schwarzen Augen.
    Gabriel bedachte ihn mit einem höhnischen Blick, den ich noch nie an ihm gesehen hatte. «Hast du wirklich gedacht, du kommst
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