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Hades

Hades

Titel: Hades
Autoren: Alexandra Adornetto
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reden nur.»
    Xavier wirkte wenig überzeugt, aber noch bevor er reagieren konnte, löste ich meine Hand aus seiner und ging auf den Reiter zu. Xavier würde mich nicht schützen können. Im Gegenteil, jetzt war es an mir, ihn zu schützen. Wenn ich keine Wahl hatte und mit dem Reiter mitgehen musste, dann nur, wenn Xavier garantiert unverletzt zurückblieb. Aber auch er wollte um keinen Preis, dass mir etwas geschah. Daher lief er mir nach und zog mich hinter sich, sodass er es plötzlich war, der dem Reiter Auge in Auge gegenüberstand.
    «Sie möchten mit jemandem reden? Bitte, hier bin ich.»
    Der Reiter antwortete von oben herab: «Junge, glaubst du wirklich, dass du dem Willen des Himmels etwas entgegenzusetzen hast?»
    «Wahrscheinlich bin ich einfach nur arrogant.»
    «Geh zur Seite. Mit dir habe ich nichts zu schaffen.»
    «Was Beth angeht, geht auch mich an.»
    Der Reiter seufzte ungeduldig auf. Oder war es gelangweilt?
    «Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.»
    «Tu ihm nichts, ich mache ja alles, was du sagst!», rief ich. Aber es war zu spät.
    Der Reiter hob die Hand, und im selben Moment schoss ein Lichtstrahl aus seiner Handfläche. Der dünne Strahl, hart wie Stahl, wickelte sich wie von selbst um Xaviers Hals. Seine Augen weiteten sich, und er fuhr sich mit den Händen an die Kehle, aber es half nichts – schon begann er zu würgen. Dann ging er zu Boden, und sein Körper erschlaffte. Er hatte bereits das Bewusstsein verloren.
    «Niemand kann den Willen des Himmels beeinflussen», sagte der Reiter.
    Während sich diese schreckliche Szene vor meinen Augen abspielte, lichtete sich der Nebel in meinem Kopf. Wut überkam mich mit einer solchen Wucht, dass alles andere zurückwich, schwoll an wie Wasser in einer Talsperre nach sintflutartigen Regenfällen. Jeden Moment würde sie über die Ufer treten.
    «Ich habe gesagt, dass du ihm nichts tun sollst.» Ich hob die Stimme nicht, aber selbst ich konnte den Zorn heraushören, der darin steckte. In meinem Kopf hatte sich etwas verändert.
    Wut konnte die Realität verzerren, ich aber sah in diesem Moment die Dinge so klar wie selten zuvor. Dadurch verlor der Reiter jegliche Macht über mich. Fast glaubte ich zu spüren, wie sich die Zahnräder in meinem Kopf bewegten, und für den Bruchteil einer Sekunde war es, als würde ich alles mit Röntgenaugen betrachten. Ich sah jedes einzelne Molekül der Hütte, konnte genau sagen, welche Stelle am schwächsten war, und spürte die Ecken, an denen die Luftfeuchtigkeit durch die Wand eindrang. Ich wusste Dinge, die niemand wissen konnte, zum Beispiel, wo der letzte Regentropfen eines Sommersturms auf dem Boden aufgekommen war. Ich sah den Reiter noch immer an, jetzt aber konnte ich durch ihn hindurchsehen. Alles Menschliche an mir schien zu verschwinden, stattdessen fühlte ich mich eins mit dem Universum – ich war Luft, Fels, Holz, Erde. Und ich wusste genau, was ich tun musste und tun konnte.
    Mit einem Handgriff riss ich einen losen Stein aus der Treppe und warf ihn auf den Reiter wie einen Frisbee, so schnell, dass er seine Kehle traf, bevor er ihn auch nur kommen sah. Wenn der Reiter Gefühle hätte zeigen können, hätte er jetzt überrascht geschaut. Rache war nichts, auf das er vorbereitet war, und mein Angriff hatte ihn völlig überrumpelt.
    Sein Kopf flog nach hinten, und er taumelte ins Haus zurück. Mit bisher ungekannter Kraft stieß ich meine Hand nach vorn und zog die Tür vor ihm zu. Meine Fingerspitzen begannen zu prickeln, und bevor ich mich versah, fing das Dach an zu qualmen. Was als Nächstes geschah, lag nicht mehr in meiner Macht. Vor meinen Augen entfachte sich ein Feuer, entzündete das Verandadach und ließ die Fensterscheiben zerbersten. Wenige Sekunden später stand Willow Lodge völlig in Flammen. Als die Wände zusammenstürzten, sah ich den Reiter in seinem brennenden Anzug. Das Feuer würde ihn nicht töten … wahrscheinlich würde es nicht einmal Spuren an ihm hinterlassen. Aber es hatte ihn fürs Erste ausgebremst. Für wie lange, wusste ich nicht, und ich hatte auch nicht vor, es herauszufinden.
    Ich war von einem einzigen Gedanken erfüllt: Xavier in Sicherheit zu bringen. Denn wenn der Reiter ihn jetzt erwischte, würde er Xavier ohne Zögern töten. Ich hastete zu ihm – er war ohne Bewusstsein, aber er atmete. Hochheben konnte ich ihn nicht, ihn zu Fuß von hier wegzubringen war also unmöglich. Durch das Fenster konnte ich erkennen, dass sich der Reiter bereits
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