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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob
Autoren: Hans G. Bentz
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Mund und Nase. Das ganze Gesicht, der Anzug, alles war erfüllt von tausendfachem ekligem Schwirren und Flügelschlagen. Selbst Jakob, der die Mottenvorhut zunächst aufgefressen hatte, wurde erst nervös und dann von einer wilden Panik erfaßt. Wie ein Wilder sauste er, halb fliegend, halb hüpfend, um sich hackend, krächzend, spuckend, herum, schließlich fand er mich in dem Geschwirr, kletterte an mir hoch und kroch wie schutzsuchend in die Jacke. Hinter mir gellte das Lachen Jessikas. Die Tür schlug zu, und der Schlüssel wurde von außen umgedreht, ehe ich, wie ein Blinder umhertappend, bis an die Klinke gelangen konnte.
    Die Panik Jakobs übertrug sich auf mich. »Hilfe!« schrie ich zunächst, und schließlich: »Mama... Mama!« Das war ein Fehler, denn der doppelte A-Laut erforderte ein weites öffnen des Mundes, und diesen Mund hatte ich sofort voller Motten. Ich rannte die Treppe hinauf, fand schließlich im oberen Stockwerk eine offene Tür, stolperte durch ein paar Zimmer, und hielt endlich schnaufend inne.
    Dann begann ich zu überlegen. Hier fand ich mich nicht zurecht, und meine überwache Phantasie malte mir sogleich aus, wie ich, in den unzähligen Zimmern und Sälen herumirrend, vielleicht auf irgendeine Falltür tretend und in fürchterliche Kellertiefen verschwindend, niemals gefunden würde und samt Jakob verhungerte. Nein, ich mußte zum mittleren Ausgang zurück. So wie ich Jessika, das kleine Luder, kannte, würde sie nach einiger Zeit nachsehen, was aus uns geworden sei. Auf diese Weise konnte ich schnell den Fuß zwischen die Tür schieben, ihr den Hintern vollhauen und wäre wieder draußen.
    Zunächst holte ich Jakob aus meinem Jackett hervor. Er war noch ganz dünn vor Angst und klammerte sich mit den Krallen derart an meiner Hand fest, daß sie blutete. Ich streichelte ihm den Rücken. »Ist ja gut, Jaköbchen, ist ja gut, wir verhauen das dämliche Weib, paß mal auf!«
    Ich brauchte nur meinen Spuren im Staub zu folgen, um wieder zurückzufinden. Je mehr wir uns dem Eber näherten, desto unruhiger wurde Jakob. Mit vielen »Tschack-tschack-kraaoos«, suchte er mich zu warnen. Schließlich waren wir wieder an der Tür, die in die Eingangshalle hinunterführte. Ich öffnete sie ganz vorsichtig einen Spalt — keine Motten! Dann schlich ich mich an das Marmorgeländer und sah auf den Eber hinunter. Er stand einsam, die Luft war rein, die Motten waren vollzählig in ihre Nester und Futterstätten zurückgekehrt. Das Ganze war verflogen wie ein Spuk.
    An der Eingangstür war ein Geräusch. Ich flog die Treppe hinunter. Da drehte sich vorsichtig der Schlüssel im Schloß! Ich drückte mich mit dem Rücken ganz eng gegen die Tür. In dem Augenblick, als sie sich öffnete, hatte ich den Fuß dazwischen, packte einen blonden Schopf und riß daran den Rest der Kusine in die Halle. Sie stand erschrocken vor mir, die Hand vor das Gesicht geschlagen, und dann, bevor ich sie aufs Knie legen konnte, entstand eine Verlegenheit, ich mußte nämlich erst Jakob für diese Handlung loswerden, damit ich beide Hände frei hatte. Ich bückte mich und setzte ihn auf die Erde. Er entflog krächzend durch die Tür ins Freie. Als ich mich aufrichtete, hatte Jessika den Schock überwunden, stand da mit funkelnden Augen, die Krallen gezückt, um mir damit ins Gesicht zu fahren: »Wenn du mich haust, kratz ich dich!« sagte sie, und dann: »Das war für euch beide, für den Osterhasen!«
    Ich musterte sie nachdenklich und wog die Chancen des Kampfes und des nachfolgenden Familienkrachs ab: »Na schön«, sagte ich endlich, »wir sind quitt!«
    Ich ging würdevoll zu meinem Luftgewehr, das in der Ecke auf dem Marmorboden lag, warf es über die Schulter und ging pfeifend aus der Halle. Nach ein paar Augenblicken hörte ich eilige Schritte hinter mir. Eine kleine warme Krallenhand schob sich in die meine: »Haste dich wenigstens erschrocken?« fragte Jessika, und ihre Augen forschten ängstlich in den meinen.
    Ich sah sie an, und es erfüllte mich ein ungeheuer männliches Überlegenheitsgefühl: »Klar, Mensch!« sagte ich freundlich.
    Sie klatschte in die Hände: »Au fein! Dann gehen wir jetzt zu Manek Erdbeeren essen!«

    Im Schloß hatte sich Jakob sehr bald seinen eigenen >Wirkungskreis< organisiert.
    Morgens frühstückte er mit uns, das heißt, er saß auf meiner Stuhllehne und ließ sich mit genudelter Semmelkrume füttern, wofür er aus seiner Babyzeit eine Vorliebe behalten hatte. Je schwärzer die Würste
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