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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob
Autoren: Hans G. Bentz
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aber nahm mit einer gezierten Bewegung nur eine Nuß und legte sie Lora zu Füßen. »Alter Gauner!« bemerkte er dazu.
    Lora nahm die Nuß ebenso geziert in die Kralle und knackte sie mit rollenden Augen. Jakob derweil nahm ihr sanft und mit spitzem Schnabel eine lose Flaumfeder von der Brust.
    Ich sah zu Hochwürden hinauf. Seine Augen schimmerten feucht. Er legte mir die Hand auf den Scheitel:
    »Siehst du, mein Sohn, wir hatten beide recht! Komm, laß uns hinübergehen. Ich habe ein paar schöne Brezeln und Himbeerlimonade für dich. Die Vögelchen können wir ruhig sich selbst überlassen. Sie sind jetzt Freunde. Außerdem kann Maria aufpassen.«
    Ich ging gehorsam mit, aß Brezeln und trank Limonade, wobei sich Hochwürden nach dem Befinden der ganzen Familie erkundigte. Ich hatte aber keine rechte Ruhe. Jeden Augenblick glaubte ich Kampfgeschrei aus der Küche zu hören.
    Es blieb aber still, und als ich mich nach einer halben Stunde schicklicherweise erhob, fanden wir die beiden noch immer in lebhaftem Geplauder in der Küche. Ich nahm mir Jakob auf die Hand, machte einen Diener und bedankte mich.
    Hochwürden strich Jakob über den Kopf: »Oft seid ihr klüger als die kleingläubigen Menschen!«
    »Amen!« sagte Jakob sehr deutlich.
    Hochwürden strahlte: »Ja, da schau... er hat sich ja sogar in der Sprache zum Guten gewandt! Nicht wahr, Lora?«
    »Scheißkerl!« antwortete Lora, die auf der Küchenbank noch immer kokette Freiübungen machte: »Stinkmann — Armleuchter!«
    Gewissermaßen als Höhepunkt und Abschluß unseres Aufenthaltes wurden wir zu den Woiceks eingeladen. Sie waren die reichsten Leute der kleinen Stadt, Mühlenbesitzer, und hatten zwei Töchter, etwas älter als Jessika, die immer sehr nach Seife rochen und mit ihrer französischen Gouvernante in einem kleinen Eselswagen spazierenfuhren. Zwischen Woiceks und unseren Leuten bestand so etwas wie eine gesellschaftliche Rivalität. Woiceks waren natürlich viel reicher. Onkel Gustl und Tante Jenny waren überhaupt nicht reich, aber sie wohnten im Schloß, Onkel Gustls Bruder schließlich war General, und von Tante Jennys Eltern, also meinen Großeltern, liefen dunkle Gerüchte von engen Beziehungen zum Kaiserhaus um, was, wie wir ja wissen, gar nicht mehr stimmte, aber den Glanz der Familie mystisch erhöhte.
    Kompliziert wurde die Sache dadurch, daß die Frau Woicek, Selma, eine sehr gepflegte und lustige Person, mit Onkel Gustl poussierte. Ich bin überzeugt, daß ihn das nicht sehr interessierte, denn er hatte an seinem eigenen Weiberstall genug und machte lieber derbe Witze mit seinen Waldarbeitern. Es genügte aber, um sowohl Tante Jenny wie Herrn Woicek furchtbar eifersüchtig zu machen. Bei beiden äußerte sich die Eifersucht ganz verschieden. Tante Jenny fing ab und zu in der Küche an zu weinen und die Töpfe herumzustoßen und erklärte, für die Kinder und fürs Haus sei sie gut genug gewesen, und jetzt...
    »Na... und jetzt?« fragte Onkel Gustl, der sie, die halblange Pfeife rauchend, wohlwollend-amüsiert betrachtete.
    »Ich kann nicht dafür, daß ich dir keine Millionen mitgebracht habe...«
    Worauf er ihr auf den Po klopfte und sagte: »Geh, Alte, sei nicht komisch! Nimm ein Migränepulver!«
    Damit ging er pfeifend hinaus, während Tante Jenny die Mama fragte, ob sie gehört habe, daß er sie »Alte« genannt habe. »Huhh-huhh-huhh.«
    Ich tappte mit Jakob auf dem Arm hinter Onkel Gustl in die Kanzlei: »Wieso ist Tante Jenny komisch, wenn sie weint?« fragte ich ihn dort.
    Er nahm die Pfeife aus dem Mund, spuckte genau in den Napf (er traf immer!), packte mich am Ohr und antwortete:
    »Eines merke dir, du Hanswurst, nimm nie die Weiber ernst, sonst bist du verloren...«
    Herr Woicek machte es auf andere Weise. Er trug immer ganz neue Anzüge und Schuhe und brachte Tante Jenny Handschuhe und Bonbonnieren aus Paris mit. Auf diese Weise wollte er, wie ich die Mama sagen hörte, sicher seine Frau eifersüchtig machen, damit sie ihn wieder liebte. Tante Jenny ihrerseits erklärte dazu, die dumme Pute wisse gar nicht, was sie an einem solchen Mann habe.
    Am Tage der Einladung zu den Woiceks wurden wir drei Kinder entsetzlich gründlich gewaschen. Josefa wurde bis zum Abmarsch im Kinderstübchen festgebunden, damit sie sich nicht wieder dreckig machte. Sie schrie, daß sie ganz blau wurde, hörte aber auf, als sie bemerkte, daß sich keiner darum kümmerte. Jakob war von den Woicek-Töchtern extra mit eingeladen. Tante Jenny
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