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Gute liegt so nah...

Gute liegt so nah...

Titel: Gute liegt so nah...
Autoren: K Higgins
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nicht sonderlich zuträglich gewesen – obwohl ich das mit meiner Blässe, den dunklen Ringen unter den Augen und den unrasierten Beinen ganz gut in den Griff bekommen hatte.
    Um die Aufmerksamkeit eines äußerlich vollkommenen Mannes zu wecken, musste ich das Beste aus dem machen, was die Natur mir mitgegeben hatte. Die Verwandlung in einen Schwan war kaum drin, aber ich war entschlossen, es wenigstens bis zur, was weiß ich, Kanadagans zu schaffen. Die sehen doch auch ganz hübsch aus, oder? Gegen eine Kanadagans war nichts einzuwenden.
    Mein Plan war einfach und unterschied sich vermutlich nicht sehr von dem zahlloser Frauen, die sich entschlossen, den Mann ihrer Träume zu erobern. Ich würde mir eine anständige Frisur gönnen, einen neuen Look verpassen und die überzähligen Pfunde loswerden, mit denen ich wie ein Michelin-Männchen aussah. Mithilfe modisch versierter Freunde würde ich mir dann eine neue Garderobe und einen Hund zulegen, da Joe Hunde mochte. Außerdem würde ich an meinen Kochkünsten arbeiten. Und nachdem all das erledigt war, würde ich Joe mein runderneuertes Ich präsentieren und endlich handeln.

1. KAPITEL
    A m ersten Morgen in meinem neuen Zuhause erwachte ich mit dem scharfen, Hoffnung verströmenden Geruch von frischer Farbe in der Nase. Der Heizkörper tickte behaglich an diesem kalten Märztag.
    Meine Zukunft lag jungfräulich und verheißungsvoll vor mir. Die Assistenzzeit war beendet, das Haus renoviert. Der Start in die Karriere stand unmittelbar bevor. Und Joe … Joe war an diesem kalten Morgen dort draußen und würde bald erfahren, dass ich die Liebe seines Lebens war. Ich schwang die Beine aus dem Bett und betrachtete stolz die blauen Wände und die antike Bettdecke. Dann ging ich barfuß in die Küche, wo ich die glänzenden Arbeitsflächen und die Porzellanspüle bewunderte. Glücklich und dankbar seufzte ich tief und schaltete die Kaffeemaschine ein.
    Während der Kaffee durchlief, kramte ich in einem Karton, den ich noch nicht ausgepackt hatte. Nachdem ich gefunden hatte, was ich suchte, kehrte ich damit in die Küche zurück, wo die Kaffeemaschine gurgelte. Ich schenkte mir einen Becher ein, setzte mich und richtete meine Aufmerksamkeit auf das Objekt vor mir.
    Es handelte sich um ein Foto von Joe Carpenter, dessen Silhouette sich vor dem Himmel abhob, während er mit nacktem Oberkörper eine Dachschindel festnagelte. Auf dem Schwarz-Weiß-Foto waren seine Armmuskeln hervorragend zu erkennen. Er stand leicht von der Kamera abgewandt, trotzdem war von seinem Gesicht genug zu sehen. Die Bildunterschrift lautete: Joe Carpenter, Zimmermann aus Eastham, arbeitet an der Restaurierung von Penniman House.
    Wie ich an das Foto gekommen bin? Ich habe die Zeitung angerufen und darum gebeten. Es war im Boston Globe erschienen, wo niemand Verdacht schöpfte, als ich behauptete, ich wäre Joes Mutter. Manch mal ist es ganz praktisch, einen altmodischen Namen zu haben. Würde ich Heather oder Tiffany heißen, hätten sie mir wahrscheinlich nicht geglaubt. Natürlich konnte ich das Foto nicht in meiner Wohnung aufstellen, deshalb holte ich es nur in besonderen Momenten aus seinem Versteck. Dies war ein solcher Moment, und ich betrachtete es mit der gebührenden Ehrfurcht.
    „Heute fängt alles an, Joe“, sagte ich und kam mir dabei ziemlich idiotisch vor. Doch als ich die Konturen des Mannes, den ich schon so lange liebte, mit dem Finger nachzeichnete, löste sich das idiotische Gefühl auf wie der Morgennebel. „Du wirst dich in mich verlieben. Von jetzt an gibt es nur noch dich.“
    Ich widerstand dem Impuls, das Foto zu küssen, stand auf und schlenderte mit dem Becher in der Hand durch mein Haus. Ich genoss es einfach, hier zu sein. Ein Haus auf Cape Cod zu besitzen ist schon etwas … und ich hatte es ganz ohne eigenes Zutun dazu gebracht. Kurz nach Weihnachten ist meine Großmutter gestorben, und bei der Testamentseröffnung erfuhr ich zu meiner Überraschung und Freude, dass sie mir ihr Haus hinterlassen hatte.
    Das bescheidene kleine Haus war mit den für Cape Cod typischen, von der Sonne und der salzhaltigen Luft hellgrau gebleichten Zedernschindeln gedeckt. Es gab keinen nennenswerten Garten, nur Kiefernnadeln, Sand und Moos. Aber das Haus war unbezahlbar, denn es stand im Naturschutzgebiet von Cape Cod, was bedeutete, dass nebenan nie gebaut werden und es niemals Nachbarn geben würde. Außerdem lag es nah am Wasser (gut fünfhundert Meter, um genau zu sein, allerdings
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