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Gute liegt so nah...

Gute liegt so nah...

Titel: Gute liegt so nah...
Autoren: K Higgins
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Ordnung.
    Nein, ganz und gar nicht, denn vor mir erhob sich ein Hügel. Lauf einfach weiter, Millie, nicht stehen bleiben. Dem bloßen Auge präsentierte sich der Hügel nicht wie ein Hügel, sondern eher wie eine sanfte Steigung, aber für mich war es Heartbreak Hill. Ich stellte mir vor, wie ich beim Boston-Marathon mitlief, diesem Höhepunkt aller sportlichen Wettbewerbe, oft imitiert, nie erreicht … Ladies and Gentlemen, hier kommt Millie Barnes, Dr. Millie Barnes, aus dem wunderschönen Cape Cod …
    Verlor ich gerade die Kontrolle über meine Blase? Und/ oder musste ich mich gleich über geben? Dreizehn Minuten, sagte meine Uhr. Die musste kaputt sein. Auf dem Gipfel von Heartbreak Hill drehte ich um und machte mich auf den Rückweg. Ah, das ging leichter, nur dass ich wieder hyperventilierte. Ruhig, befahl ich mir. Bergauf hatte es schrecklich lange gedauert, bergab ging es nun viel zu schnell. Meine Beine waren ungefähr so biegsam wie Eichenbalken, und meine Schienbeine hätten gern vor Schmerz gewimmert. Das Seitenstechen wurde schlimmer, und der Krampf in meiner Schulter dehnte sich auf meinen Nacken aus, sodass ich den Kopf schräg halten musste.
    Der Milchsäureanteil in meinem Blut wurde allmählich bedrohlich, und ich malte mir aus, wie sie die Diagnose in der Notaufnahme in Hyannis stellten. „Meine Güte, was ist mit ihr passiert?“
    „Sie war joggen, Doktor.“
    „Wie weit?“
    „Fast eine Meile.“
    Verdammt! Wenn ich jetzt anhielt, würde ich es nie wieder versuchen. Denk an Joe, ermahnte ich mich. Stell dir vor, du liegst mit ihm im Bett und hast einen fantastischen Körper. „Du bist wahnsinnig fit, Millie“, wird er andächtig seufzen, während sein Blick … auf den Briefkasten meines Nachbarn fiel. Ich war fast zu Hause! Und da war sie auch schon, meine geliebte Auffahrt, in die ich hineintaumelte, ehe ich schwankend anhielt. Mit zitternden Knien, schweißdurchtränktem T-Shirt und trockener Kehle wankte ich keuchend in mein Haus, wo ich mich auf einen Küchenstuhl fallen ließ.
    Hier ist sie, Ladies and Gentlemen! Dr. Millie Barnes, Gewinnerin des Boston-Marathons! Ich schaute erneut auf meine Uhr. Achtundzwanzig Minuten, eins Komma sieben Meilen. Das war beeindruckend! Ich hatte es getan. Es dauerte eine Weile, bis meine Atmung sich wieder normalisierte, aber was für ein Lauf! Nach ungefähr zwanzig Minuten raffte ich mich auf und stürzte ein Glas Wasser hinunter.
    Dann beging ich den Fehler, in den großen Spiegel zu sehen. Mein Gesicht war erschreckend rot. Nicht leicht gerötet wie nach angenehmer sportlicher Betätigung, nicht einmal einfach nur rot, sondern dunkel wie Rote Bete, und zwar das ganze Gesicht. Meine Augen waren durch die Reizung vom Schweiß geschwollen, meine Lippen rissig und weiß, der einzige Farbkontrast in diesem Purpurrot. Mein verschwitztes T-Shirt klebte an meinem untrainierten Oberkörper. Auch meine ansonsten blassen Beine waren gerötet, aber vom kalten Wind. Na ja, versuchte ich mich zu trösten, du hast ja gerade erst angefangen.
    Ich duschte heiß und leider viel zu kurz, weil mich die Unzulänglichkeit des Heißwassergerätes zwang, die Dusche zu verlassen. Während ich mir eine Kanne grünen Kräutertee zubereitete, beschloss ich, meine Schwester anzurufen. Schließlich war ihre Ehe heute offiziell für beendet erklärt worden, und da sollte man geschwisterliche Anteilnahme zeigen. Ehrlich gesagt machte Trish mir ein bisschen Angst. Ich erinnerte mich noch gut an ihren Wutausbruch bei der Testamentseröffnung meiner Großmutter. Trish erhielt mehrere Tausend Dollar, was allerdings ein Klacks war im Vergleich zum Wert dieses Hauses. Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen hatte.
    Nach einigem Herumwühlen in den Papieren auf meinem Schreibtisch fand ich ihre Nummer. Der Blick auf die Vorwahl gab mir einen Stich – unsere Trish war ziemlich weit weg von zu Hause.
    Auf dem College hatte ich sie öfter angerufen, damit sie mich über Dannys Fortschritte auf dem Laufenden halten konnte, weil ich meinen Neffen über alles liebte. Aber seit er sechs oder sieben gewesen war, reichte Trish den Hörer an ihn weiter. Sie kannte den wahren Grund meines Anrufs. Oder ich sprach mit Sam, der mir ausführlich von den Punktspielen des kleinen Danny berichtete, den Elternsprechtagen, den Klarinettestunden und so weiter.
    „Hallo?“ Trish klang wie immer ungeduldig.
    „Hallo Trish. Ich bin’s, Millie“, sagte ich und fühlte mich sofort unwohl.
    „Oh,
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