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Gute liegt so nah...

Gute liegt so nah...

Titel: Gute liegt so nah...
Autoren: K Higgins
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überhaupt nicht mehr wie ein Jugendlicher. Er ließ die Schultern hängen, seine Schritte waren schwer. Daran waren wir Erwachsenen schuld.
    Zu Hause war eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter.
    „Ich bin’s, Sam. Hör zu …“ Es folgte eine Pause. „Wir müssen reden. Ich …“ Erneute Pause, tiefer Atemzug. „Ich war vor etwa einer halben Stunde bei dir, aber du warst nicht da. Ich rufe später noch mal an.“
    Benommen sank ich in meinen Sessel. Das klang nicht ermutigend. Ganz und gar nicht. „Wir müssen reden“ verhieß nie etwas Gutes.
    Einen Nachmittag lang hatte ich eine Ahnung davon bekommen, wie Liebe wirklich sein konnte. Wie es sein würde, Sam zu lieben. Und für diesen Nachmittag war ich aus tiefster Seele dankbar. Ich war mit dem Mann zusammen gewesen, den ich liebte, der meine Liebe zumindest in dieser kurzen Zeit erwidert hatte. Eigentlich sollte es darauf hinauslaufen, dass wir den Rest unseres Lebens zusammen verbrachten.
    Erneut liefen mir die Tränen über die Wangen, doch mein Gesicht fühlte sich an wie aus Stein gemeißelt. Ich hatte es gründlich satt, ständig zu weinen. Das Gleiche galt für die ewige Warterei. Seit Jahren wartete ich nun schon darauf, dass mein Leben endlich anfing, mein richtiges Leben. Ich wartete darauf, dass bestimmte Dinge sich ereigneten und bestimmte Menschen Notiz von mir nahmen, mich anriefen, einluden, liebten.
    Wir müssen reden.
    Falls es Trish gelang, Sam wieder für sich zu gewinnen, gab es keine Gerechtigkeit auf der Welt. Aber ich kannte Sam, und wie Curtis schon gesagt hatte, er war treu, loyal, verlässlich. Wenn seine Exfrau, die ihn vor über einem Jahr in den Wind geschossen hatte, nun flehte, ihr zu vergeben und sie wieder zurückzunehmen, damit sie wieder eine Familie sein konnten – was würde er da tun? Wenn Danny ihn darum bat, Trish noch eine Chance zu geben, würde Sam nicht genau das tun? Wäre es nicht leichter, einen einzigen Nachmittag mit mir zu vergessen als ein ganzes Leben mit Danny und Trish?
    Stundenlang blieb ich in meinem Sessel sitzen, bis mir der Hintern einschlief und mein Magen anfing zu knurren. Digger legte den Kopf auf meinen Schoß, und ich kraulte gedankenverloren sein seidiges Fell. Die Sonne ging unter, es wurde dämmrig im Zimmer, doch ich schaltete kein Licht ein.
    Das Telefon klingelte. Sofort schlug mein Herz schneller. Ohne nachzudenken meldete ich mich.
    „Hier ist Curtis“, sagte mein Freund mit gedämpfter Stimme. Im Hintergrund hörte ich Stimmengemurmel und Musik.
    „Hallo.“
    „Mitchell und ich sind im Forge“, erklärte er. Das Forge war ein hübsches Restaurant in Wellfleet. „Wir feiern zehnjähriges Jubiläum und …“
    „Das ist ja toll“, unterbrach ich ihn. „Aber ich habe momentan viel um die Ohren hier und deshalb eigentlich keine Zeit für eine Unterhaltung.“
    „Prinzessin, ich will nicht derjenige sein, der es dir sagt …“ Sein mitfühlender Ton, sein Zögern schürten eine ganz bestimmte Furcht in mir. Ich bekam feuchte Hände.
    „Was denn, Curtis?“
    „Sie sind hier. Sam und deine Schwester. Die beiden haben einen Tisch am Fenster, und es sieht sehr nach einem Têteà-Tête aus.“
    Mein Magen krampfte sich zusammen. „Nein.“
    „Ich kann ihren Tisch von hier aus gut sehen. Unser Freund Bart ist Kellner hier, du hast ihn bei Halloween im letzten Jahr kennengelernt, er hatte sich als Barbara Streisand verkleidet. Erinnerst du dich? Jedenfalls hilft er uns. Ich sitze mit Bart an der Bar. Mitch sitzt zwei Tische entfernt von Sam und Trish, mit dem Rücken zu ihnen. Er hat Bart auf seinem Handy angerufen, den hab ich hier bei mir … was? Was hat sie gesagt?“
    „Nein Curtis, nicht. Ich will es nicht wissen. Ich spioniere niemanden mehr aus. Bitte hör auf.“
    „Scht!“
    „Curtis, nein! Bitte hör auf damit.“ Die Vorstellung, dass die beiden mir die Unterhaltung zwischen Sam und Trish wiedergaben, verursachte mir Übelkeit.
    „Du willst nicht wissen, was die beiden reden?“
    „Nein, das ist privat. Lass es.“
    Curtis zögerte. „Oh, na schön. Bart, sie will nicht, dass wir es ihr erzählen.“ Mein Freund klang ein wenig verzweifelt über meine mangelnde Kooperationsbereitschaft. „Willst du denn wenigstens wissen, was sie tun? Schließlich ist das hier ein öffentlicher Ort, und wir benutzen nicht einmal Ferngläser.“
    Ich legte die Hand an meine schmerzende Stirn. Sam saß mit Trish in einem eleganten, teuren und romantischen Restaurant. Gestern
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