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Gute Beziehungen

Gute Beziehungen

Titel: Gute Beziehungen
Autoren: Thomas Gordon
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belesenste Einwohner unserer Ortschaft galt. Als ich eines Tages von der Schule heimkam, saß er auf der Vorderveranda seines Hauses. Ich blieb stehen und fragte ihn, wie er zu seinem enzyklopädischen Wissen gekommen sei. Er sagte: »Na ja, als ich etwa so alt wie du war, hatte ich Glück. Ich hatte einige wundervolle Lehrer. Man könnte sie fast Alchimisten nennen. Mit unerschütterlichem Optimismus und viel Einsatz verwandelten sie einen Grundstoff wie mich, zwar nicht gerade in Gold, aber doch in etwas Wertvolleres. Sie überzeugten mich davon, dass ich alles könnte, was ich mir vornähme.« Er hielt inne, richtete die vom Alter etwas wässrig gewordenen blauen Augen eine Zeit lang auf den Horizont und fügte dann hinzu: »Seither habe ich viele Dinge getan, merkwürdige und wunderbare Menschen aller Art getroffen, alles gelesen, was ich in die Finger bekam, lange gelebt und allem meine Aufmerksamkeit geschenkt.«
    Wir brauchen diese pädagogischen Alchimisten, die nieaufgeben, die unsere Kinder in den Schulen anleiten und inspirieren, sodass sie viele Dinge tun, merkwürdige und wunderbare Menschen kennen lernen, alles, was ihnen in die Finger fällt, lesen, lange leben und allem Aufmerksamkeit schenken können.
    Also, welche anderen Möglichkeiten haben wir, unsere Schulen zu verbessern? In der Theorie ist es relativ einfach, in der Praxis jedoch sehr schwierig: Verringern Sie die Größe der Schulen, suchen Sie sich gute Lehrer, stellen Sie sie ein, bezahlen Sie sie gut und lassen Sie sie unbehelligt arbeiten. Schulleiter müssen sich als Hilfstruppen für Lehrer begreifen, nicht als Vorgesetzte – als Assistenten, die bei Zielsetzungen behilflich sind, zu Träumen ermutigen, zur Lösung von Problemen beitragen. So können sie zu Erziehern ganzer Gemeinwesen werden und dafür sorgen, dass sich Eltern und Kommunalpolitiker an der Zielsetzung und der Lehrplan-Evaluierung beteiligen. Schließlich ist der erzieherische Prozess in der Schule eine zutiefst menschliche Aktivität. Die Bedürfnisse von Schülern, Lehrern und Eltern sind menschlich. Wenn es in unseren Schulen an etwas mangelt, dann nicht an Geld, obwohl mehr Geld sicherlich hilfreich wäre, sondern an der Art und Weise, wie Menschen behandelt, wie Regeln aufgestellt werden und wie man mit nichtakzeptablen Verhaltensweisen umgeht.
    Vielleicht gab es einmal eine Zeit, in der autoritäre Schulen ihre Aufgabe erfüllten, weil sie junge Menschen auf die geistlose, sich unendlich wiederholende Fließbandarbeit vorbereitete, doch diese Zeit ist lange vorbei. Die Hightech-Gesellschaft von heute erwartet von den Schulen nicht nur die Vermittlung technischer Fertigkeiten, sondern auch zwischenmenschlicher Fähigkeiten. Mit anderen Worten, die Schule von heute soll demokratisch und nicht autoritär sein.

    F: Ich bin Lehrer und werde fürs Lehren bezahlt. Ich fühle mich unfrei, wenn ich ständig Kommunikationssperren vermeiden soll. Manchmal denke ich, ich sollte lieber meine Erfahrung weitergeben. Dass Beschimpfen und Urteilen zu Problemen führen können, leuchtet mir ein, aber Fragen stellen? Wie kann das eine Kommunikationssperre sein?
    A: Wann haben Sie zum ersten Mal bemerkt, dass Fragen nützliche Unterrichtstechniken sind? Merken Sie, wie mühelos ich Sie mit dieser Frage in die gewünschte Richtung gelenkt habe? Fragen sind nützliche Unterrichtswerkzeuge, aber nur im problemfreien Bereich Ihres Verhaltensfensters.
    Kommunikationssperren sind nur Sperren, wenn sie wirklich Hindernisse sind. Sie halten die Kommunikation nur auf, wenn jemand in der Beziehung ein Problem hat. Gibt es keine Probleme, sind Kommunikationssperren im Allgemeinen harmlos, das heißt, sie verursachen keine Unstimmigkeiten. Schauen Sie sich das folgende Verhaltensfenster an:

    Der mittlere Abschnitt ist der problemfreie Bereich, dort schadet es möglicherweise nichts, wenn Sie befehlen, scherzen, Ratschläge erteilen oder andere Kommunikationssperrenverwenden; selbst Beschimpfungen können dort harmlos sein. In unseren Kursen für Lehrer nennen wir diesen Bereich den Lehr-Lern-Bereich, weil er ideale Bedingungen für diese Prozesse schafft. Doch wenn Sie als Lehrer verstimmt sind, müssen Sie mit dem Unterrichten aufhören und das Problem konfrontieren. Sind die Schüler aufgeregt, ist ihnen nicht nach Lernen zumute, dann müssen Sie mit dem Unterrichten aufhören und ihnen helfen, die Gedanken und Gefühle zu klären, die sie am Lernen hindern. In diesen Problembereichen sind
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